"Mir liegt das physische Spiel"

Profis
27.04.2021

Yannik Keitel im Heimspiel-Interview über erste Bundesliga-Erfahrungen, Rückschläge und seinen Spielstil. 

Aus der Region, fußballerisch hochbegabt und mit beiden Beinen auf dem Boden: Yannik Keitel ist der Prototyp des SC-Spielers aus der eigenen Ausbildung. Selbst wenn die erste Profisaison sportlich noch durchwachsen lief, steht für den veranlagten Mittelfeldspieler fest: Ich will beim Sport-Club Stammspieler werden.

Heimspiel: Yannik, es ist genau ein Jahr her, dass du deinen ersten Profivertrag beim SC Freiburg unterschrieben hast. Wie ist dieses Jahr aus deiner Sicht gelaufen?

Yannik Keitel: Es ist sehr schnell vergangen und trotz Corona war es ein schönes Jahr für mich. Natürlich müssen wir uns an die Regeln halten, wie alle anderen auch, aber wir konnten immerhin Fußball spielen – wenn auch ohne Zuschauer, was sehr schade ist. Und natürlich vermisse ich es auch, mich mal wieder entspannt mit Freunden treffen zu können.

Und wie fällt dein Jahresfazit in sportlicher Hinsicht aus?

Ich hatte nicht so viele Einsätze, wie ich es mir erhofft hatte. Obwohl es anfangs eigentlich ganz gut ausgesehen hat, im ersten DFB-Pokalspiel war ich ja gleich in der Startelf, musste aber nach der Pause angeschlagen ausgewechselt werden. Danach habe ich dann aber kaum noch Spiele gemacht, und war teilweise auch nicht im Kader. In dieser Phase habe ich mir viele Gedanken gemacht, und hatte durch die Corona-Umstände auch reichlich Zeit dazu. Ich denke, es war am Ende vor allem wichtig, einen klaren Kopf und den Spaß am Fußball zu bewahren. Das habe ich hinbekommen. Ich spiele wieder befreit und konnte mich zuletzt ja auch mit zwei Startelf-Einsätzen belohnen.

Aber was genau war da zwischendurch los mit dir?

Ich hatte eine Phase, in der ich wohl zu verkopft war, vielleicht zu viel nachgedacht habe, was ich anders machen kann, zu viel ausprobiert habe, zu angespannt war, und auch zu hohe Ansprüche an mich gestellt habe ...

... vielleicht sogar schon vor der Saison? Im Gespräch mit dem „kicker“ hast du da gesagt, dass du Stammspieler werden willst ...

… dazu stehe ich auch weiterhin. Das bleibt mein Ziel. Vor der Saison hatte ich das Gefühl, dass ich das vielleicht noch schneller packen kann. Das hat nicht geklappt, trotzdem gilt es prinzipiell immer noch. Kein Grund also, diese Aussage zu bereuen. (lacht)

Bei deinen Startelf-Einsätzen hattet du zuletzt dann eine Art Crashkurs: Du hast in Mönchengladbach sehr gut gepielt und dafür Lobeshymnen – inklusive der vom Trainer – geerntet, dann habt ihr beim Abstiegskandidaten Bielefeld verloren, und du hast einen Trainer mit sehr schlechter Laune erlebt ...

… die kann aber noch schlechter sein, kann ich euch sagen (grinst). Für mich waren es trotz der Niederlagen positive und intensive Erfahrungen. Aber es ging tatsächlich von Null auf Hundert. In Gladbach fühlte ich mich gut, wollte und kriegte viele Bälle. In Bielefeld war alles ein bisschen anders, sie agierten mit brutaler Manndeckung, ich kam nicht so ins Spiel. Zudem wollte der Trainer, dass ich eher Räume aufmache als Bälle abhole. Auch deshalb hatte ich nicht so viele Ballkontakte und habe versucht, gegen den Ball viel aufzuräumen. Und letztendlich war ich dann, was meine Leistung angeht, mit beiden Einsätzen einigermaßen zufrieden.

Viele SC-Fans kennen dich noch kaum, beschreib ihnen doch mal: Was bist du für ein Spielertyp, wo liegen für dich deine Stärken?

Mir liegt das physische Spiel, ich gehe gerne in Zweikämpfe. Ich denke, eine gewisse Dynamik besitze ich auch, und selbst wenn es nicht meine Spezialdisziplin ist, kann ich auch mal an einem Gegenspieler vorbeigehen. Außerdem, glaube ich, dass ich es ganz gut verstehe, knifflige Situationen aufzulösen.

Du spielst zentral auf der Sechs oder der Acht, Positionen, die beim SC aktuell so fest vergeben sind
wie wenig andere ...

… was tatsächlich eine Herausforderung ist. Gleichzeitig hilft mir dieser Konkurrenzkampf, mich weiter zu verbessern, auch wenn ich natürlich gerne mehr Spielzeit bekommen würde.

Kannst du denn zumindest im Training nachvollziehen, warum das im Moment noch so schwer ist?

Chicco Höfler ist ein gestandener Bundesligaspieler, er ist das Herz der Mannschaft, er hält viel zusammen und ist taktisch super. Außerdem versteht er sich blind mit dem Trainer, für den er auch wichtig ist, um über ihn die Mannschaft zu lenken. Und um Baptiste Santamaria hat der Verein sich nicht umsonst so intensiv bemüht. Er ist läuferisch top, setzt Akzente nach vorne, hat eine gute Technik. Trotzdem werde ich natürlich versuchen, mich durchzusetzen.

Vielleicht auch auf einer anderen Position? Oder siehst du dich selbst nur im Mittelfeldzentrum?

Selbst wenn ich in der Jugend schon mal Innenverteidiger und sogar Stürmer spielte – fast immer wurde ich zentral eingesetzt. Sechs oder Acht bleiben meine Lieblingspositionen, weil man da mitten im Spielgeschehen ist. Aber ich bin flexibel und kann auch in der Innenverteidigung spielen. Da hat man das ganze Spiel vor sich, kann es vielleicht noch ein bisschen mehr lenken, weil man weniger Druck im Rücken hat und deshalb auch mal mehr Zeit, nach vorne zu spielen – in dieser Saison wurde ich in der Zweiten Mannschaft ja auch schon da eingesetzt.

Apropos, wäre es gerade für Spieler wie dich ein Vorteil, wenn die Zweite aufsteigen würde?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich hoffe es natürlich, und es sieht gerade auch gut aus. Aber klar, die Dritte Liga wäre für den Verein schon deshalb gut, weil er junge talentierte Spieler besser bei sich behalten könnte und sie weniger verleihen müsste.

Du fieberst offenbar mit bei der Zweiten, zumindest sieht man dich regelmäßig im Möslestadion.

Ich gucke gerne bei der Zweiten zu, schließlich kenne ich die Jungs teilweise schon von klein auf, Sascha Risch und Enzo Leopold schon seit der U12.

In der U12 begann deine SC-Musterlaufbahn: du kommst aus der Region, hast wahrscheinlich früher im Stadion gestanden, den SC angefeuert und geträumt, der nächste Matthias Ginter zu werden?

Es wie Matze Ginter von der U12 bis ganz nach oben gepackt zu haben, ist tatsächlich sehr schön. Als ich mit elf Jahren aus Breisach zum SC kam, war das noch so fern, aber gewünscht habe ich es mir wirklich immer. Vor Kurzem habe ich Fotos aus der Anfangszeit gefunden, da guckten wir mal mit der Mannschaft beim Training der Profis zu und holten uns dann Autogramme. Ich machte Fotos, mit dem Trainer, mit Daniel Caligiuri und mit Johnny Schmid. Als ich sie ihm jetzt mal zeigte, hat Johnny sich kaputt gelacht.

Nun spielst du mit ihm in der Bundesliga. Wie oft hast du in den Jahren als Jugendspieler daran gezweifelt, dass das auch wirklich klappen kann?

Am Anfang fragte ich mich jedes Jahr, ob ich fürs nächste übernommen werde. Meine Eltern haben genauso mitgefiebert und waren fast nervöser als ich. Es war auch immer traurig, wenn Mitspieler den Verein
verlassen mussten. In der U15 habe ich dann einen Vertrag über drei Jahre bekommen, damit wurde es entspannter. Zumal meine Eltern mich immer unterstützten, mich ganz oft zum Training gefahren und abgeholt haben – weil es mit dem Zug deutlich länger gedauert hätte, und vor allem auch, damit ich mit der Schule und dem Lernen keine Probleme bekomme.

Das klappte offenbar ganz gut, du hast dein Abi mit einem Schnitt von 1,7 gemacht. Konntest du die Unterstützung der Eltern damals denn schon wirklich wertschätzen?

Als Jugendlicher habe ich es als selbstverständlich angesehen, zumal meine Eltern es gerne machten. Erst jetzt habe ich nach und nach begriffen, wie viel Zeit sie trotzdem dafür investieren mussten – sie waren ja sogar fast bei jedem Auswärtsspiel mit dabei.

Letztes Jahr hast du dich dann abgenabelt und bist Zuhause ausgezogen.

Ich hatte zwar mal drüber nachgedacht, aber dann wurde es durch Corona beschleunigt. Meine Eltern wohnen im Elsass, da hätte ich im Grenzverkehr ständig im Stau gestanden, dazu kamen die Quarantäneregeln. Sonst wäre ich wohl noch nicht ausgezogen – dazu schmeckt Zuhause schon das Essen zu gut. (grinst)

Dann musstest du dir zuallererst mal Kochen beibringen?

Ja, nach dem Motto Übung macht den Meister habe ich einfach mal los gelegt. Anfangs hat es mal geschmeckt, mal weniger. Jetzt habe ich den Bogen, glaube ich, schon ganz gut raus. Vor allem Gemüse schneiden macht mir echt Spaß. Darüber wundert sich meine Freundin immer, weil sie es gar nicht mag. Wenn sie bei mir ist, koche meistens ich.

Hast du eigentlich das Gefühl in deinem sehr vom Fußball bestimmten Leben viel verpasst und oft auch unter Druck gestanden zu haben?

Das haben mich schon viele Freunde gefragt. Partys hatten für mich aber beispielsweise nie den großen Reiz, ich war schon immer der Sportlertyp, der alles aus sich herausholen wollte. Dadurch habe ich, glaube
ich, einfach viele andere Erfahrungen gemacht als die meisten. Aber ich hatte nie das Gefühl, da was zu verpassen. Außerdem lernt man Jahr für Jahr sich besser einzuschätzen, und auch der Druck legte sich damit. Ich habe ihn ohnehin nicht mehr so empfunden, weil es sich bei mir in eine positive Richtung entwickelte – das kann bei anderen natürlich auch anders sein.

Du warst immer mal wieder verletzt, hast du auch da nie daran gezweifelt, dass du es schaffen wirst?

Doch. Es gab schon Phasen, in denen ich mich fragte, ob mein Körper für diese hohen Belastungen nicht gemacht ist. Ob ich es doch nicht schaffe, mir meinen großen Traum zu erfüllen. Ich habe auch einiges unternommen, meine Ernährung umgestellt, mehr und spezielle Übungen gemacht. Bei den Profis mitzutrainieren und mich an das höhere Tempo zu gewöhnen, hat meiner Stabilität dann nochmal sehr geholfen.

Die Verletzungsgeschichten sind für dich damit erledigt?

In der Wachstumsphase in der Jugend kann es einfach zu Überlastungen kommen, die erst aufhören, wenn man ausgewachsen ist. Ich denke, inzwischen habe ich mein eigenes Puzzle ganz gut zusammengesetzt und mein Körper ist stabiler geworden ist. Aber ich hatte auch in dieser Saison zwischenzeitlich mal wieder Probleme. Inzwischen versuche ich, auch solche Phasen gut zu nutzen.

Wie kannst du das, wenn du nicht auf den Trainingsplatz darfst?

Indem ich mir ältere Videos meines Spiels anschaue oder mit mentalem Training, bei dem ich fußballspezifische Situationen und Bewegungen durchgehe, um das nicht zu verlieren.

Dazu passt, dass du eine Ausbildung zum Mentalcoach machst.

Das ist ein sehr flexibler Online-Kurs mit Aufgaben und mit Abendseminaren. Nach einem halben Jahr dürfte ich mich Mentalcoach nennen, ich mache das aber vor allem für mich selbst und lerne dadurch sehr
viel. Im mentalen Bereich sehe ich grundsätzlich noch großes Potenzial, auch wenn das sicherlich nicht für jeden Spieler etwas ist. Manche fahren besser damit, wenn sie sprichwörtlich ihren Kopf ausschalten.

Yannik, zum Schluss, wie ist es ein halbes Leben von der Bundesliga zu träumen, und jetzt spielst du in leeren, schrecklich hallenden Betonschüsseln ...

... und ich weiß die Zuschauer werden irgendwann wieder dabei sein. Bei meinem Bundesligadebüt durfte ich außerdem noch vor Zuschauern spielen – und das in Dortmund, da ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen. Ansonsten bin ich es tatsächlich noch nicht gewohnt vor vielen Zuschauern zu spielen, und bin sehr gespannt darauf. Wenn ich jetzt nur daran denke, kriege ich schon eine Gänsehaut.

Interview: Milena Janetzki und Uli Fuchs

Foto: Achim Keller

 

Weitere Artikel, Interviews, Hintergründe und Statistiken über unseren SC Freiburg findet ihr zu jeder Heimpartie der SC-Profis in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das wir während der Corona-Pandemie auch kostenlos als PDF anbieten. Außerdem gibt es unser Stadionmagazin auch im Abo und am Kiosk zu kaufen. 

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