Spiele gegen seinen Bruder Daniel empfand Marco Caligiuri als "ganz spezielle Herausforderung".
So eine schreckliche Mütze wie auf dem Foto würde ich heute nicht mehr aufsetzen. Nun ja, wenn man aus Fehlern lernt, haben die ja auch was Gutes (schmunzelt). Und so sitze ich also mit Mütze und meinem Bruder Daniel (Foto links) im Innern der Mainzer Coface-Arena, wo wir kurz vorher noch auf dem Platz gestanden hatten, Daniel im Trikot des SC Freiburg, ich für den 1. FSV Mainz 05.
Ich hatte mit Mainz 3:1 gewonnen. Klar war Daniel da enttäuscht, zumal der SC damals, 2012, Tabellenletzter war. Es war erst das zweite SC-Spiel mit Christian Streich als Cheftrainer und keiner konnte wissen, dass man die Klasse noch sicher halten würde.
Veränderte Rollen nach Abpfiff
Ich denke, man könnte sagen, dass da auf dem Foto aus dem Gegner, der ich im Spiel war, nun wieder der große Bruder wird, der den jüngeren aufbauen will. Viele Worte sind dabei aber sicher nicht gefallen. Daniel schaufelt noch Nudeln in sich rein. Es ist ja üblich, gleich nach dem Spiel noch zu essen. Der Körper verlangt auch danach, wenn man sich beim Spiel ausgepowert hat.
Zuerst war ich unsicher, ob das Foto erst im Jahr danach entstanden war. Nach dem dramatischen Mainzer 2:3 im Pokal: Als der SC Freiburg in Mainz nach 0:2-Rückstand in der Verlängerung noch gewonnen und mein Bruder zwei Tore gemacht hatte. Eine extrem bittere Niederlage für mich, wie auch für Mainz 05 insgesamt.
Statt uns zog der Sport-Club ins DFB-Pokal-Halbfinale ein, verlor aber in Stuttgart 1:2, obwohl die SC-Fans im Stadion für gigantische Stimmung sorgten. Ich weiß das, weil ich selbst im SC-Block stand, sozusagen als Caligiuri-Supporter.
Wir Brüder haben uns immer unterstützt und gepusht. Es war auch total schön, dass Daniel 2020 überraschend da war, als ich im letzten Spiel für SpVgg Greuther Fürth Abschied vom Profifußball genommen habe.
Viele direkte Duelle auf dem Platz
Gegen den eigenen Bruder zu spielen, war dagegen eine ganz spezielle Herausforderung, zumal wir im Spiel positionsbedingt ja oft direkt aufeinandergetroffen sind. Noch mehr als sonst galt es da, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, im richtigen Moment ins Duell zu gehen, auch wenn es dabei rappeln konnte.
Als wir Kinder waren, passierte das beim Kicken im Garten natürlich ständig. Daniel ist zwar vier Jahre jünger als ich, war aber immer schon ein Beißer und Kämpfer, sodass es beim Kicken heiß herging. Oft hat mein Vater, den wir vorher gar nicht bemerkt hatten, irgendwann das Wohnzimmerfenster aufgerissen, um das Spiel mal kurz zu unterbrechen; aus dem Off sozusagen und insofern ein bisschen wie heutzutage der Video-Schiedsrichter.
Als ich mit 17 Jahren ins Internat des VfB Stuttgart zog, sahen wir Brüder uns dann seltener. Der Kontakt brach aber nie ab, auch nicht als Daniel später zur A-Jugend des SC Freiburg wechselte. Einen Bezug zum Sport-Club hatten wir schon vorher durch unseren Onkel Karl-Heinz – also Karl-Heinz Wöhrlin. Als Ex-SC-Profi nahm der mich manchmal zu Spielen nach Freiburg mit.
So war ich als Neunjähriger in der ersten Bundesligasaion des Sport-Club 1993/94 beim legendären 3:1-Sieg gegen Bayern München im Dreisamstadion, als Uwe Wassmer alle drei SC-Tore schoss. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Marco Caligiuri, aufgezeichnet von Timo Tabery
Foto: Imago Images