"Das Radio war schneller"

Profis
18.03.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim 1. FSV Mainz 05 kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Christof Babatz.

Herr Babatz, Sie waren in Ihrer Karriere nicht als Goalgetter bekannt, sind aber dennoch als Torschütze für alle Zeiten in der Vereinsgeschichte des 1. FSV Mainz 05 verewigt,...

Babatz: ...weil ich den ersten Bundesligatreffer für Mainz 05 erzielt habe. Daran habe ich sehr schöne Erinnerungen. 

Das war in Stuttgart, in der Saison 2004/05. Kurz nach dem Wiederanpfiff traten Sie beim Stand von 0:2 zum Freistoß an. 

Babatz: 26 Meter vor dem Tor, ich erkannte die Lücke und schoss ins Torwarteck. Leider kassierten wir im Gegenzug prompt das 1:3, gingen am Ende als Verlierer vom Platz. Aber natürlich freut es mich, das erste Mainzer Bundesligator erzielt zu haben, auch wernn mir das damals auf dem Platz gar nicht bewusst gewesen ist. 

Sie haben dieses Tor quasi selbst mit vorbereitet: In der heißen Phase der vorangegangenen Zweitligasaison sorgten Sie mit Ihren Treffern und Vorlagen dafür, dass Mainz aufstieg und Sie den historischen Treffer überhaupt erzielen konnten.

Babatz: Naja, also so viele Treffer sind es auch nicht gewesen …

… immerhin zwei in fünf Spielen, zudem sechs Vorlagen. Wenn man bedenkt, dass Sie zuvor in der Saison vier Scorerpunkte verbuchten, ist das schon eine ordentliche Steigerung zum richtigen Zeitpunkt.

Babatz: Gut, das lasse ich gelten. Aber ich habe Mainz nicht allein zum Aufstieg geschossen. Wir hatten in der Endphase der Zweitligasaison 2003/04 sicherlich auch viel Glück, aber vor allem viel Lockerheit. Unsere Chancen auf den Aufstieg waren eigentlich schwindend gering. Wir hatten gar nicht mehr damit gerechnet, noch mal in die Nähe der Aufstiegsplätze zu kommen, daher spielten wir befreiter auf.

Um es mit Zahlen zu veranschaulichen: Nach dem 29. Spieltag stand Mainz auf Platz acht, sechs Punkte hinter einem Aufstiegsplatz. In der Folge holte das Team zehn Punkte aus vier Spielen, und plötzlich lagen Sie vor dem letzten Spieltag nur noch zwei Zähler hinter Alemannia Aachen.

Babatz: Vor dem letzten Spieltag nahmen wir uns vor: Wir rufen unsere Leistung ab, damit wir uns am Ende nichts vorwerfen können – und dann sehen wir mal, was unterm Strich herauskommt …

… am Ende als Dritter eine Platzierung über dem Strich!

Babatz: Das war der helle Wahnsinn, was an diesem 34. Spieltag abging. Ich war in der Partie gegen Eintracht Trier ausgewechselt worden, wir führten daheim 3:0, also ging der Blick nach Karlsruhe, wo Aachen verlieren musste. Neben dem Spielfeldrand stand ein kleiner Fernseher, auf dem die Partie live zu sehen war. Der KSC führte 1:0, aber Aachen hätte ein Tor zum Aufstieg gereicht. Und auf einmal reißt hinter mir auf der Tribüne ein kleiner Junge die Arme hoch und schreit: „Aus, aus, aus!“ Das Radio war ein paar Sekunden schneller als das Fernsehen – und dann brachen alle
Dämme. Das war eine Freude, die man schwer beschreiben kann.

Das Kontrastprogramm hatten Sie fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor erlebt am 34. Spieltag der Saison 2002/03.

Babatz: Das war sportlich gesehen das Bitterste, was ich in meiner Karriere erlebt habe. Wir spielten bei Eintracht Braunschweig, führten 4:1, standen in der virtuellen Tabelle zu Beginn der Nachspielzeit auf einem Aufstiegsplatz. Die Biergläser waren bereits gefüllt, die Sektflaschen geöffnet, die Aufstiegsshirts ausgepackt. Und dann schoss Eintracht Frankfurt in den letzten Minuten zwei Tore, quasi mit dem Abpfiff …

… und stieg anstelle von Mainz auf, weil die Tordifferenz um ein Tor besser war.

Babatz: Dieses eine Tor – Wahnsinn! Umso schöner aber, dass wir es ein Jahr später doch noch so kurios packten. Wenn Mainz in den USA läge, hätte man daraus bestimmt einen Hollywood-Film gedreht.

Dabei war die Aufstiegssaison gar nicht mal so gut: nur 13 Siege, dafür 15 Unentschieden und 54 Punkte – mit so wenigen Punkten war noch niemand in die Bundesliga aufgestiegen.

Babatz: In der Tat war es eine durchwachsene Saison, aber nachdem wir das große Ding zwei Mal so knapp verpasst hatten, war es klar, dass wir eine kleine Delle davon abbekommen würden. Zum Glück hat es am Ende gereicht.

Und seitdem ist der 1. FSV Mainz 05 – mit einer kleinen Zweitliga-Unterbrechung – fester Bestandteil der Bundesliga.

Babatz: Und das ist eine enorme Leistung. Damals fragten sich viele: Wer bitteschön ist Mainz 05, wo liegt die Stadt überhaupt? Die meisten dachten, wir würden sofort wieder absteigen. Vielleicht war das auch ein bisschen unser Vorteil. Aber: Wir arbeiten hart daran, uns jedes Jahr aufs Neue für eine weitere Bundesligasaison zu qualifizieren. Ich denke, unser Weg ist vergleichbar mit dem des SC Freiburg, auch wenn ihr aktuell noch erfolgreicher seid. Schön zu erleben jedenfalls, wie kleinere Klubs wie Mainz oder Freiburg ihre Wege gehen.

 

Interview: Christian Engel

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

Foto: Imago Images

 
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