"Den Rückschlag positiv ummünzen"

Verein
03.04.2023

Martin Schweizer und Andreas Steiert aus der Freiburger Fußballschule beziehen Stellung zum erstmaligen Bundesliga-Abstieg der U19, die verbleibenden Saisonziele und die Planungen für die kommende Spielzeit.

Herr Schweizer, Herr Steiert, die U19 ist im März erstmals aus der A-Junioren-Bundesliga abgestiegen. Wie hart trifft es das SC Nachwuchsleistungszentrum, wenn eine seiner Vorzeigemannschaften mindestens ein Jahr lang nicht in der höchsten Liga spielen kann?

Andreas Steiert: Es tut zuerst einmal extrem weh. Konkret stellen sich dazu zwei inhaltliche Fragen: Was lernen wir aus diesem Jahr? Und wie schaffen wir es, unsere Hauptaufgabe, die Ausbildung von Nachwuchsspielern, auch mit den U19-Junioren in der Oberliga angemessen
umzusetzen?

Völliges Neuland ist das nicht – die U23 und auch die U17 sind schon einmal in die Oberliga abgestiegen.

Steiert: Aber jeder Abstieg hat eine eigene Geschichte, auch wenn die Erfahrungen mit dem U17-Abstieg vor fünf Jahren ein paar Hinweise geben können. Damals spielten ja überwiegend 2002er-Jahrgänge in der U17, Noah Atubolu und Kenneth Schmidt etwa, die beide inzwischen zum Profikader gehören. Und Emilio Kehrer, der in der ersten belgischen Liga spielt, Lars Kehl, der Drittliga-Stammspieler bei uns ist, oder aus dem jüngeren Jahrgang Robert Wagner, heute ebenfalls Profi, und Max Rosenfelder aus der U23.

Damals folgte der direkte Wiederaufstieg ...

Steiert: … was aber kein Selbstläufer war. Wegen der genannten Spieler wissen wir zudem: Es ist möglich, unserem Ausbildungsauftrag auch in der Oberliga gerecht zu werden – für eine begrenzte Zeit zumindest. Umgekehrt gefragt: Was fehlt einem Spieler, wenn er ein Jahr nicht in der Junioren-Bundesliga spielt?

Martin Schweizer : Rein faktisch fehlen 26 Spiele auf Bundesliganiveau. Wobei Spiele gegen Top-Teams der Oberliga oft keine kleinere Herausforderung sind. Trotzdem sagen wir: Die fehlenden Spiele müssen wir kompensieren. Zum Beispiel über internationale Turniere oder über nationale Leistungsvergleiche.

Wäre eine Champions-League-Qualifikation der Profis dann auch für die U19 gut? Sie würde dadurch ja an der Youth League teilnehmen.

Schweizer: Sportlich wäre es sicher sehr reizvoll. Aber es wäre auch mit weiten Reisen unter der Woche verbunden, und viele Jungs gehen ja noch zur Schule. Aber ob in der Youth League oder anders – eine Aufgabe wird es sein, als Ersatz für die Bundesliga in anderer Form Spiele auf sehr gutem Niveau zu organisieren. Denn das Trainingsniveau und der Kader werden nächste Saison identisch zum U19-Bundesliga-Szenario sein.

Wie erklären Sie sich den U19-Abstieg im Rückblick? In den letzten sieben Spielen gab es nur eine Niederlage, es blieb das Gefühl, hätte die Saison länger gedauert, wäre der Klassenerhalt noch gelungen.

Schweizer: Das sehen wir auch so. Dennoch dürfen und wollen wir uns nicht herausreden. Wir kannten die Rahmenbedingungen vorher und waren uns auch der Risiken bewusst: Dass die Zeit für eine mannschaftliche Entwicklung knapp werden kann, wenn 17 Teams eine einfache Runde spielen, dass es damit nur 16 Spieltage gibt – und sechs Klubs, die am Ende absteigen ...

Steiert: ...ich glaube, weltweit existiert keine andere Liga, in der 35 Prozent der Teams absteigen. Wir haben da ein System geschaffen, das alles auf den Kampf gegen den Abstieg zentriert. Es gibt Bestrebungen, zu denen wir uns in Gesprächen als SC Freiburg sehr klar positionieren: für einen zukünftigen Wettbewerb ohne Abstieg, bei dem die Ausbildung im Vordergrund steht.

Der von Ihnen beschriebene Modus letzte Saison war noch eine Nachwirkung der Corona-Pandemie.

Schweizer: Genau. Und er sorgte dafür, dass jedes Spiel immens wichtig war und es von Anfang an sehr oft gegen potenziell direkte Konkurrenten im Abstiegskampf ging. Trotzdem haben wir uns bewusst für den Weg entschieden, mit einer relativ jungen Mannschaft in die Saison zu gehen. Mit vielen Spielern aus dem Jahrgang 2005, und relativ wenigen aus dem älteren 2004er-Jahrgang. Weil diese 2005er aus unserer Sicht ein total spannender Jahrgang mit viel Talentpotenzial in der Spitze und in der Breite sind. Aber wir wussten eben auch, dass sie Zeit brauchen könnten, sich zu entwickeln.

Und jetzt nagt die Frage: Hätten wir nicht ein bisschen mehr an den Stellschrauben drehen müssen?

Schweizer: Wir haben eine genaue Analyse gemacht: Wieso, weshalb, warum. Gerade auch im Bezug auf die Kaderplanung, die ich ja federführend mitverantworte. Aber selbst da merkst du dann, dass du oft zwei Herzen in der Brust hast: Gerade vor dem Hintergrund, dass wir nicht für den Moment, sondern für später und oben ausbilden, willst du die größtmögliche Talentdichte haben. Andererseits geht es eben nicht ohne Ergebnisse, weil du als Voraussetzung für eine optimale Entwicklung in der Liga der Besten spielen willst. Deshalb musst du auch mal entscheiden: Für das Talent oder für den Spieler, der physisch schon so stark ist, dass er dir in diesem Jahr eher hilft, sicher drin zu bleiben.

Und die Probleme mit verletzten Leistungsträgern sind da noch gar nicht mitgedacht.

Schweizer: Das zählt sicher zu den Dingen, die wir so nicht voraussehen konnten. Es betraf schon früh einige ältere Jahrgänge, die langzeitverletzt ausfielen. Weil wir in der Winterpause zudem zwei Spieler dazuholten, war es dann personell und von den Leistungen eine andere Mannschaft, bei der auch die Ergebnisse stimmten – aber es gab dann eben nur noch fünf Spiele.

Auch deshalb geht die in der Liga beendete Saison für die U19 mit einer Sonderspielrunde noch weiter.

Steiert: Ja, und man kann diese Spielrunde auch ein bisschen als Modell für ein künftiges Spielsystem sehen. Wir befinden uns dabei zunächst in einer Vierergruppe mit der TSG Hoffenheim, dem VfB Stuttgart und Astoria Walldorf. Aus der Platzierung ergibt sich, gegen wen wir dann deutschlandweit spielen – was noch einmal homogene Leistungsvergleiche ermöglichen soll. Deshalb haben wir der Mannschaft nach dem Abstieg gesagt, dass wir ein Ziel verfehlt haben, aber andere Ziele trotzdem noch erreichen wollen: den SBFV-Juniorenpokal zu gewinnen etwa, um nächstes Jahr wieder im DFB-Pokal zu spielen. Und wir wollen in der Sonderspielrunde bei der Weiterentwicklung der einzelnen Spieler vorankommen. Darauf liegt jetzt der Fokus bis zum Saisonende im Mai.

Und darauf wird kommende Saison auch in der A-Junioren-Oberliga der Fokus liegen?

Schweizer: Absolut. Zunächst planen wir mit dem Großteil des Kaders weiter, weil es spannende Jungs sind. Neu dazu kommen die aufrückenden Spieler aus der U17. Schaffen wir es, die fehlenden Spiele auf Topniveau adäquat zu ersetzen, dann, denke ich, können wir es auch auffangen, ein Jahr eine Liga tiefer zu spielen.

Steiert: Ein Augenmerk wird außerdem sein, den Spielern zu vermitteln, dass der Schritt in die U23 natürlich weiter möglich und gewünscht ist. Denn unsere eigene Ausbildung muss selbstverständlich auch künftig die Basis unserer Zweiten Mannschaft sein.

Genauso wie diese Ausbildung beim Sport-Club beispielhaft die Basis für das Bundesligateam ist.

Schweizer: Dass wir eine so enge Verbindung von der Nachwuchsabteilung zu den Profis haben, freut uns alle. Das ist unsere Luft zum Atmen. Und obwohl die U19 jetzt abgestiegen ist, sehen wir weiter viel Talentpotenzial bei ihr. Vielleicht kann die Abstiegserfahrung für Spieler sogar wichtig werden – wenn sie es schaffen, den Rückschlag in etwas Positives ummünzen.

Steiert: Apropos Verzahnung mit den Profis: Es hat sich als sehr positiv erwiesen, dass wir Julian Schuster ab 2018 als Verbindungstrainer zwischen U19, U23 und dem Profibereich eingesetzt haben. Als so positiv, dass wir jetzt mit Felix Roth, bisher Co-Trainer und Video-
Analyst bei der U23, einen zweiten Verbindungstrainer installieren werden. Das ist auch für unsere U19 wichtig, weil es ihre Verbindung zur U23 zusätzlich stärkt. Auch deshalb finde ich: Trotz des Abstiegs der U19 sind wir auch aktuell ein attraktiver Standort für junge Spieler, um sich hier für den Profifußball zu entwickeln.

 

Interview: Dirk Rohde und Uli Fuchs

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

Foto: Achim Keller

 
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