"Wir müssen immer parat sein"

Verein
16.09.2025

Sechs Zugänge, sechs Abgänge. Im Interview mit unserem Stadionmagazin Heimspiel spricht Sportdirektor Klemens Hartenbach über die Transfers im Sommer, Überlegungen vor einem Transfer und Fußballromantiker-Gene. 

Herr Hartenbach, mit Igor Matanović hat der Sport-Club bereits am 9. Juli den sechsten und letzten Neuzugang vorgestellt. Vier Wochen später war auch der Wechsel von Ritsu Doan zu Eintracht Frankfurt über die Bühne gegangen. Dann sah es lange danach aus, als wäre der SC rekordverdächtig früh durch mit den Planungen und in der heißen Phase des Transferfensters entspannt in der Zuschauerrolle.

Hartenbach: Was die Zugangsseite betrifft, waren wir wirklich sehr früh dran. Entspannt zurücklehnen können wir uns aber natürlich dennoch nie. Wir müssen immer parat sein, für den Moment, wenn in England der Transferwahnsinn losgeht, und wir dann irgendwann ein Glied in der Kette werden.

Und der Sport-Club am sogenannten Deadline-Day plötzlich mittendrin, statt nur dabei ist. Dass Noah Weißhaupt wechseln würde, kam nicht ganz unerwartet. Dass aber kurz vor Schluss Merlin Röhl per Leihe inklusive Kaufverpflichtung bei Klassenerhalt zum FC Everton in die Premier League ging, war dann doch eine große Überraschung.

Hartenbach: Aus heiterem Himmel kam das für uns aber natürlich nicht ganz. Das Interesse aus England bestand bereits seit längerer Zeit. Letztlich standen wir kurz vor Ende der Transferperiode vor der Entscheidung. Nach interner Diskussion mit allen Verantwortlichen und der Abwägung zwischen sportlichem Verlust und finanziellem Ertrag haben wir dem Wechsel zugestimmt.

Der dem Vernehmen nach einer der größten Transfers der SC-Geschichte ist. Was überwiegt: Die Freude über die Einnahme oder der Ärger über einen Verlust, auf den so kurzfristig nicht reagiert werden konnte?

Hartenbach: Ich habe ganz allgemein nicht das Gefühl, dass wir panisch reagieren müssen, wenn es zum Ende der Transferperiode solche Entwicklungen gibt. Jeder Spieler könnte auch kurzfristig verletzt sein. Und ich würde sagen, vom rein sportlichen Aspekt her sind wir dafür gut aufgestellt. Mittel- und langfristig spielt dann bei einem Weggang aber natürlich auch die Gesamtbetrachtung eine Rolle: Wo können sich Spieler noch hin entwickeln? Wie groß ist der aktuelle sportliche Verlust, wie schwerwiegend ist der Weggang für die Kabine?

Wäre es, andersherum gefragt, problematisch für das Gesamtgefüge geworden, wenn der Wechsel von Doan nach Frankfurt noch geplatzt wäre?

Hartenbach: Nein, auch wenn zugegebenermaßen alles schon ein wenig darauf ausgelegt war, dass Ritsu uns verlassen würde. Aber wenn so ein wichtiger Spieler geblieben wäre, hätte man mit Blick auf die Spielzeiten anderer auch Lösungen gefunden, zum Beispiel in Form weiterer Leihen.

Bringt es nicht auch einen kleinen Nachteil mit sich, die Planungen bei den Zugängen früh abgeschlossen zu haben? Immerhin könnte es die Verhandlungsposition schwächen, wenn die anderen Clubs wissen, dass der SC nur noch abgeben will.

Hartenbach: Wenn du auf der anderen Seite unter Druck kommst, weil du den Kader noch nicht so gestaltet hast, wie du eigentlich willst, und du rutschst mit Planungen in den August rein, dann könnte man auch wieder denken, dass sich andere Vereine sagen: „Gut, die müssen noch zwei, drei Spieler holen, und jetzt haben sie Interesse an unserem Spieler. Machen wir doch mal langsam und lassen den Preis steigen.“ Es hat immer ein Für und Wider. Zudem bleibt in dieser europäischen Saison durch die vielen englischen Wochen weniger konstruktive Trainingszeit. Da spielt das Mehr an Netto-Trainingszeit, das man frühzeitig gemeinsam hat, natürlich auch eine Rolle in der Abwägung.

Sehen Sie die Gruppe auf einem guten Weg?

Hartenbach:Ja. Es dauert bei uns wegen der sehr spezifischen Anforderungen erfahrungsgemäß immer einen Tick länger, bis sich Spieler integriert haben. Philipp Treu war Stammspieler beim FC St. Pauli, Anthony Jung ist sehr erfahren und hat von seiner Position als Innenverteidiger her das Ganze vor sich. Die restlichen Neuzugänge sind aber Spieler, die entweder nicht aus der Bundesliga kommen oder wenig gespielt haben, wie etwa Igor Matanovićverletzungsbedingt in der Vorsaison. Das bedeutet Anpassungsprozesse, die dauern, und von uns aber auch ganz bewusst einkalkuliert werden. Wir dürfen ja nicht immer nur an morgen denken, wir müssen auch an übermorgen denken. Wir wollen sie dahin bringen, dass sie irgendwann als Spieler und Persönlichkeiten das Ganze ihrerseits ein Stück weit tragen. Da vertrauen wir voll der Arbeit des Trainerteams und ich finde, die Jungs sind auch schon auf einem guten Weg.

Mittlerweile werden sehr hohe Summen für Offensivspieler aufgerufen, die erst in unteren Ligen angedeutet haben, dass sie es können. Was gibt den Ausschlag, dass man beim SC Freiburg sagt: Genau diesem Spieler, zum Beispiel Cyriaque Irié, trauen wir diesen letzten Schritt zu?

Hartenbach: Da geht es zunächst um die Feststellung der Qualitäten. Die sind relativ klar ersichtlich. Und dann geht es eben darum, trauen wir den Spielern in einem gewissen Zeitrahmen zu, sich auf die speziellen Anforderungen unseres Spiels, etwa hinsichtlich der Aufmerksamkeit und Arbeit gegen den Ball, zu entwickeln. Bei Cyriaque haben wir uns schließlich dafür entschieden, es zu machen, weil wir durch die Sichtungen und Gespräche den Eindruck gewonnen haben, dass es klappen kann. Dass die Punkte, die er hat, so außergewöhnlich sind, und dass wir das Gefühl haben, wir kriegen ihn sozusagen auch in den anderen Punkten noch so verbessert, dass er wirklich ein vollumfänglich sehr guter Spieler werden kann – daran mussten wir auch mit Ritsu Doan in den ersten Jahren hart arbeiten.

Wie lange ist bei einer Verpflichtung denn üblicherweise der Vorlauf, bis der Spieler das SC-Trikot überstreift?

Hartenbach: Im Schnitt sind das schon so 12 bis 15 Monate, in denen wir uns intensiv mit ihm beschäftigen. Ich bin aktuell jedenfalls schon in Gesprächen mit Spielern, die wir uns für die nächste Saison gut vorstellen können.

Eine Entwicklung wie die von Doan ist bestimmt ein gutes Argument bei solchen Gesprächen mit möglichen Neuzugängen.

Hartenbach: Ritsu ist natürlich ein Paradebeispiel. Aber auch mit ihm gab es heiße Diskussionen. Ich erinnere mich gut daran, wie wir im Mai 2024 hier in meinem Büro zusammensaßen und ihm nochmal seine Entwicklung in den beiden Jahren davor vor Augen geführt und erläutert haben – und das, was wir noch mit ihm vorhaben. Letztlich geht es immer darum, den richtigen Zeitpunkt für den nächsten Schritt auszuloten. Und es braucht Spieler, die wirklich daran glauben, was wir hier machen. Die sich sagen: „Wenn ich hier beim Sport-Club bleibe, mit der Art, wie wir spielen, wie wir miteinander umgehen, wie die Trainer mit mir arbeiten, dann werde ich mich verbessern. Und der Markt läuft mir nicht davon.“ Der Wechsel von Merlin Röhl in die Premier League zeigt ebenfalls und erneut, dass junge Spieler guten Gewissens den Weg über den SC Freiburg gehen können.

Die Bilder und Eintrittskarten an der Wand in Ihrem Büro weisen Sie als Fußballromantiker aus. Sehen wir das richtig?

Hartenbach: Vermutlich (lacht). Neulich war ich auf Schalke, um das Spiel gegen Hertha BSC anzuschauen. Wenn ich mit der Bahn zur Arena fahre, ist das für mich schon ein Geschenk. Meist werde ich ja nicht erkannt und kann mich mit den Fans über Gott und die Welt unterhalten – egal welchem Verein sie die Daumen drücken. Wenn ich dann noch erfrischende junge Talente sehe und denke: „Das macht Spaß, dem zuzuschauen. Hoffentlich stimmt es bei ihm im Hintergrund mit Familie, mit Berater und so, dann kann er seinen Weg machen.“ Ich möchte schon, auch unabhängig vom SC, dass die talentierten Jungs ihren Weg gehen, richtige Entscheidungen treffen, um ihr Potential auszuschöpfen. Weil das die Jungs von Morgen sind. Und am meisten freue ich mich, wenn die Spieler dann zu uns kommen.  

Interview: Alexander Roth

Das Interview erschien in unserem Stadionmagazin Heimspiel zum Spiel gegen den VfB Stuttgart, das auch als Abo erhältlich ist. 

 
Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.