"Ich wurde viel belächelt"

Profis
23.09.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Eintracht Frankfurt kommt eine der Legenden desnächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Manfred Binz.

Am 22. Spieltag der vergangenen Saison riss eine Serie, über die halb Fußballdeutschland, zumindest ganz Freiburg staunte: SC-Kapitän Christian Günter stand nach 134 Bundesligaspielen in Folge erstmals – wegen einer Gelbsperre – nicht in der Startelf. Und in Frankfurt saß ein gewisser Herr Binz und konnte über dieses Rekördchen nur müde lächeln …

Manfred Binz: (lacht) Keineswegs! 134 Bundesligaspiele in Folge sind eine Topleistung für einen Profi. Hut ab, Christian Günter, nicht nur für diese Serie! Was die Spieler heutzutage, zum Teil schon Jugendspieler, Woche für Woche abreißen, ist enorm. Dieses Trainingspensum, diese Belastungen – da muss man erst einmal über solch einen langen Zeitraum verletzungsfrei bleiben. Schade, dass sich Günter jüngst gleich zwei Mal am Arm verletzt hat.

Sie standen zwischen 1986 und 1994 für die Eintracht 246 Spiele am Stück in der Startelf – das ist Bundesligarekord unter den Feldspielern. Was war Ihr Geheimnis für diese Konstanz?

Binz: Ich denke, es war die Einstellung. Ich habe früh erkannt, dass ich alles dafür tun muss, um nicht nur Profi zu sein, sondern Vollprofi. Ich wollte nicht nur wie ein Ochse trainieren, was ich stets getan habe, sondern zusätzlich in allen anderen Bereichen das Optimale rausholen. Ich achtete in besonderem Maße auf meine Gesundheit.

Bedeutete konkret …

Binz: … dass ich beispielsweise extrem auf meine Ernährung schaute. Mitspieler Dieter Kitzmann kam vor jedem Training unglaublich gut gelaunt in die Kabine. Ich fragte ihn, wie er immer so happy sein könne. Er sagte mir, er frühstücke einfach stets sehr gut: Vollkornprodukte, Müsli mit Früchten. Also dachte ich mir, probiere ich das doch auch mal aus – und fühlte mich deutlich besser. Nach jedem Training lief ich mehrere Runden aus, dehnte mich – auch wenn es aus Kübeln schüttete, wenn die Sonne mir auf die Birne knallte. Hatte ich eine Blessur, ging ich sofort zur Krankengymnastik
und ließ mich durchkneten, sodass ich wieder voll trainieren konnte.

Das alles klingt nach einem Profidasein der Neuzeit, aber nicht unbedingt – mit Verlaub – nach den 80er-Jahren.

Binz: Ganz und gar nicht! Ich wurde unglaublich viel belächelt, musste mir ständig Kommentare anhören.

Welche denn?

Binz: Ich erinnere mich an die Zeit bei der Nationalmannschaft, als ich zu Bodo Illgner einmal sagte: "Dein Körper ist dein Kapital." Er hat mich mit diesem Spruch jedes Mal aufgezogen. Manche nannten mich Körnerfresser oder Banana-Joe. Aber das hat mich alles nie wirklich berührt, weil ich mich durch meine Ernährungsweise und den Fokus auf die Gesundheit eben viel besser fühlte. Ich denke, heute wird kein Profi mehr dafür ausgelacht, vielmehr wird solch eine Einstellung von einem Profi erwartet. Schauen Sie sich nur mal Cristiano Ronaldo an. Nicht, dass ich mich mit ihm vergleichen möchte, aber was der als Profi in seinen Körper und seine Gesundheit investiert, ist extrem toll. Und eben auch erfolgreich.

Der Startschuss für Ihre Startelfserie zwischen 1986 und 1994 wäre beinahe nicht gefallen. Im Sommer 1986 standen Sie in Frankfurt kurz vor dem Aus …

Binz: In jenem Sommer habe ich ziemlichen Mist gebaut. Mit einem Kumpel und Mitspieler brach ich in ein Sportgeschäft ein. Wir wurden kurz darauf von der Polizei vom Trainingsplatz geführt – und vom Verein suspendiert. Ich war erst mal am Boden zerstört. Und dann kam eine Nacht, in der sich vieles änderte: Ich war mit Kumpels feiern und sagte ihnen nachts um drei, ich gehe jetzt heim, trainieren. Ich verließ die Disco, ging nach Hause, zog einen Trainingsanzug an und legte los. Ich trainierte Tag und Nacht. Das ist keine Floskel. Ich schaute Rocky-Filme. Irgendwann durfte ich wieder bei den Eintracht-Amateuren mittrainieren und ins Trainingslager der Profis mitfahren. Da staunte manch einer: Sag mal, Manni, wie siehst denn du aus, so kantig! Ich sagte: Ich habe trainiert! Der Einbruch war nicht zu entschuldigen, aber er hat mich verändert: Er hat meinen Kopf um 180 Grad gedreht – er war jedenfalls meine letzte Jugendsünde.

Sie bekamen Ihre zweite Chance in Frankfurt und kamen letztlich auf 336 Bundesligaspiele für die Eintracht. Sieben davon gingen gegen den SC Freiburg …

Binz: … und gegen den Sport-Club ist meine Bilanz, glaube ich, gar nicht mal so gut.

Nee, könnte besser sein aus Ihrer Sicht: sieben Spiele, fünf Niederlagen. Wenigstens die ersten beiden konnten Sie gewinnen.

Binz: (lacht) Ja, der SC, die hatten damals nicht nur einen seltsamen Platz – so kurz und so breit –, sondern zugleich ein richtig gutes Team mit tollen Kickern. Denken Sie nur mal an Rodolfo Cardoso oder Jörg Heinrich. Zudem hatten sie stets charismatische Trainer an der Seitenlinie, damals Volker Finke, heute Christian Streich. Viele Teams hatten Probleme gegen den SC, auch wir. Und auch heute geht es bei den Partien zwischen dem SC und der Eintracht häufig eng zu, wohl auch nächsten Sonntag.

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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