Freiburgs Linksverteidiger Christian Günter ist der Gegenentwurf zur schnelllebigen Fußball-Branche.
Die aktuelle Saison ist seine 14. im SC-Trikot. Vor dem Gastspiel bei Fortuna Düsseldorf an diesem Sonntag (ab 15.30 Uhr, live auf Sky und im Ticker unter scfreiburg.com) spricht der 26-Jährige im Interview der Woche.
scfreiburg.com: Günni, Du hast Anfang September Deine langjährige Freundin Katrin geheiratet. Nebenbei hast Du einen starken Saisonstart mit einem Tor und zwei Assists gekrönt. Gibt es da einen Kausalzusammenhang?
Christian Günter (lacht): Ich habe noch nicht so oft geheiratet. Deshalb kann ich das nicht sicher sagen. Ich glaube aber, dass ein freier Kopf und Glücksgefühle auf jeden Fall auch auf dem Platz helfen. Vielleicht ist da also ein gewisser Zusammenhang.
Eine Beziehung, die Du ebenfalls schon lange und harmonisch lebst, ist die zum SC. Du gehst in Deine 14. Saison, die Trainer Christian Streich und Lars Voßler kennst Du seit Deinem ersten Tag beim Sport-Club. In der U19 hast Du dann erstmals unter den beiden damaligen U19-Trainern gespielt. Wieso funktioniert die Liaison so gut?
Es hat einfach von Anfang an gepasst. Ich habe mich gleich wohlgefühlt und hatte immer auch ein gewisses Vertrauen vom Trainerteam. Das war schon in der A-Jugend so und ich fühle mich noch heute wohl. Ich hoffe, dass auch die Verantwortlichen das so sehen und weiterhin zufrieden mit mir sind.
Braucht es da noch viele Worte zwischen Dir und Deinem Umfeld?
Natürlich ist vieles Routine geworden. Es gibt aber schon immer wieder Dinge, die ich verbessern möchte und die auch die Trainer von mir verlangen. Ein Spiel ist nie perfekt. Bei einem Lionel Messi ist es eventuell so, dass da nicht mehr viel Luft nach oben ist. Aber bei uns allen und auch bei mir im Speziellen gibt es die ganze Karriere über genügend Anhaltspunkte, an denen gefeilt werden kann.
Wer einen Blick auf Deine sportliche Vita wirft, findet genau zwei Vereine: den SC und den FV Tennenbronn aus Deiner Heimat Rottweil. Die Erste Mannschaft des FV Tennenbronn spielt in der Bezirksliga. Könntest Du aus dem Stegreif sagen, wie die am Wochenende abgeschnitten haben?
Ja, das weiß ich tatsächlich (grinst). Sie haben leider gegen den Tabellenletzten Bräunlingen 4:4 gespielt - obwohl sie bis zur 70. Minute 4:1 geführt hatten. Das hätte nicht passieren sollen. Da gab es dann schon eine kleine Spitze von mir. Meine besten Kumpels spielen dort, deshalb haben wir generell einen sehr regen Austausch.
Deine Heimat liegt immerhin eine gute Autostunde von Freiburg weg. Wie oft siehst Du Familie und Freunde?
Früher habe ich die Nähe zur Familie noch mehr gebraucht. Heute ist Freiburg zu meinem Lebensmittelpunkt geworden - alleine schon wegen meiner Frau. Aber meine Familie ist bei jedem Heimspiel da und meine Freunde sind vor Ort, wenn sie nicht zeitgleich ein Spiel haben. Umgekehrt versuche ich, alle zwei Wochen nach Hause zu fahren und Spiele meiner Jungs anzuschauen.
Durch Deine vielen SC-Jahre hast Du auch schon alles Mögliche erlebt: Tabellen-Mittelfeld, Europa League, Pokal-Halbfinale, Abstieg, Zweitliga-Meister, Aufstieg, Europa-League-Quali, Fast-Abstieg. Lässt sich da das eine besondere Erlebnis hervorheben?
Da könnte ich wahrscheinlich eine Stunde lang ausholen. Es waren wahnsinnig viele Erlebnisse. Eines war natürlich der Aufstieg in Paderborn im April 2016. Dann mein erstes Bundesliga-Spiel gegen Greuther Fürth (im Jahr 2012, d. Red.). Das werde ich nie vergessen. Und auch mein erstes internationales Spiel in der Europa League gegen Liberec (im Jahr 2013, d. Red.) wird mir im Gedächtnis bleiben.
Was unterscheidet den heutigen Günni am meisten von dem ganz jungen SC-Spieler Christian?
Ich glaube und hoffe, dass ich mich in vielen Dingen verbessert habe. Nicht nur auf dem Platz, auch abseits habe ich viel dazugelernt - und weiß, die Dinge zu schätzen. Durch meine Ausbildung zum Industriemechaniker erinnere ich mich, wie es war, acht Stunden arbeiten zu müssen und danach noch Training zu haben. Das hat mir ein Stück weit dabei geholfen, auf dem Boden zu bleiben. Hier bin ich vielen Leuten dankbar, dass sie genau auf solche Eigenschaften Wert gelegt haben. Das ist sicher nicht überall so. So brutal verändert habe ich mich aber nicht, denke ich. Für meine Freunde daheim bin ich immer noch der Gleiche wie damals.
Bei aller Erfahrung - einen Saisonstart wie diesen hattest auch Du noch nie. Das 1:1 gegen den FC Augsburg wirkte nach Abpfiff allerdings wie eine Niederlage. Wie schwer wiegen die beiden Aluminium-Treffer aus den Schlussminuten auch Tage danach noch?
Im Nachhinein ist es schon bitter. Wir waren das ganze Spiel über die bessere Mannschaft, haben nicht viel zugelassen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatten wir zwar keine Druckphase und haben auch in ein paar Momenten zu viel Bälle verloren. Dass wir am Ende die Chancen liegengelassen haben, tut trotzdem weh. Im Großen und Ganzen können wir mit dem Saisonstart aber nach wie vor zufrieden sein. Gerade wenn man sich das Spiel zum Auftakt gegen Mainz anschaut, was total ausgeglichen war und wir mit 3:0 gewonnen haben.
Als nächstes geht es nach Düsseldorf. Die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel ist mit einem Sieg, einem Unentschieden und drei Niederlagen eher durchschnittlich in die Saison gestartet. Trotzdem erinnern wir uns daran, dass es dort nicht leicht ist zu gewinnen. Im Vorjahr hieß es dort 0:2 für uns…
Das stimmt, das war wirklich eines unserer schlechtesten Spiele. Da wollen wir zusehen, dass wir diesmal eher an unsere Auswärtsleistungen aus den vergangenen Wochen anknüpfen.
Inwiefern?
Beim 3:0 in Hoffenheim hatten wir eine totale Kompaktheit, waren voll in den Zweikämpfen drin, hatten immer wieder unsere spielerischen Momente - und waren einfach eklig. Schlussendlich haben wir verdient gewonnen. Das muss generell unser Ziel sein: Auswärts den gleichen Mut zu haben wie zu Hause. Dann ist vieles möglich.
Interview: Marcel Burger, Sina Ojo
Foto: Alexander Scheuber | Bundesliga | DFL via Getty