SC-Frauen-Managerin Birgit Bauer, die ehemalige SC-Spielerin und heutige U-20 Trainerin der Frauen Melanie Behringer (34) und die frisch in den Profikader berufene Mia Büchele (17) stehen für drei Generationen Frauenfußball beim SC Freiburg. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Deutschen Frauen-Fußballs, das am vergangenen Wochenende gefeiert wurde, schildern die drei ihre Sicht der Dinge auf die Anfänge des Frauenfußballs in Deutschland und seine Entwicklung.
scfreiburg.com: Hallo Ihr drei. Schön, dass Ihr euch die Zeit genommen habt. Erzählt doch zum Einstieg kurz, wie ihr zum Fußball gekommen seid.
Melanie Behringer: Ich habe durch meine vier Brüder und den Bolzplatz direkt hinter dem Haus mit dem Fußball angefangen und habe ab der E-Jugend gemeinsam mit Jungs zuerst in Utzenfeld und dann beim FC Hausen i. W. mit Frauen gespielt.
Mia Büchele: Bei mir waren es auch die älteren Brüder. Außerdem war mein Vater der Trainer bei uns im Verein, dem TSV Riedlingen – dann wurde ich einfach immer mitgenommen. Ich hatte quasi keine andere Wahl (lacht). Bis zur U15 habe ich auch immer in Jungen-Mannschaften gespielt. Über den SSV Ulm bin ich dann zum Sport-Club gekommen.
Birgit Bauer: Ich glaube, als ich angefangen habe, habt ihr alle noch gar nicht gelebt. Mel, wann bis du geboren?
Behringer: 1985
Bauer: Tatsache. Ich habe 1980 angefangen. Im Gegensatz zu euch hatte mein Bruder damit aber nichts zu tun – der hat mit Fußball nichts am Hut.
Du hast die Entstehungsgeschichte der SC-Frauenmannschaft live miterlebt. Wie war das damals?
Bauer: Das war alles etwas verworren. Es gab mehrere mannschaftlich geschlossene Wechsel von der SpVgg Wiehre zum Sport-Club und zurück. Ich habe zunächst bei der SpVgg Wiehre gespielt. Wir sind dann 1991 endgültig zurück zum SC Freiburg, weil wir damals in die zweigeteilte erste Liga aufgestiegen wären, aber nicht durften, da der Vorstand uns nicht für den Aufstieg gemeldet hatte. Das wundert mich heute noch. Dadurch ist dann die TuS Binzen aufgestiegen und wir haben uns abgemeldet und sind dank guter Kontakte zu Achim Stocker geschlossen zum Sport-Club gewechselt, wo die Frauenabteilung neu gegründet wurde.
Behringer: Binzen hat mal in der ersten Bundesliga gespielt?
Bauer: Ein Jahr lang.
Behringer: Hier erfährt man ja ganz neue Dinge. Das wusste ich nicht (lacht).
Büchele: Habt ihr damals bei der Wiehre auch schon im Schönbergstadion gespielt?
Bauer: Ja, auf dem Hartplatz da draußen (zeigt aus dem Fenster) habe ich auch schon gekickt.
Mel, als du 2003 zum Sport-Club gewechselt bist, hatte sich die Frauenmannschaft zwar in der Bundesliga etabliert, war aber noch auf der Suche nach einer festen Spielstätte. Wenn ich richtig gezählt habe, hast du mit den SC-Frauen in drei verschiedenen Heimstätten gespielt, oder?
Behringer: Als ich zum SC Freiburg gekommen bin, haben wir unsere Heimspiele noch in Sexau ausgetragen. Dann haben wir für einige Zeit im Weststadion gespielt und nachdem ich 2008 zu den Bayern gewechselt bin, ist die Frauenmannschaft hierher umgezogen. Es waren also „nur“ zwei verschiedene Stadien, in denen ich hier für den SC gespielt habe.
Bauer: Vorher hatten wir sogar noch eine Zeit lang auf dem damaligen Hartplatz beim Sport-Club trainiert und bei der FT unsere Heimspiele ausgetragen. Anschließend kam dann die Phase, in der wir in Sexau gespielt haben. Das war, obwohl es doch ein Stück entfernt war, eigentlich eine schöne Zeit. Alle haben sich sehr um uns bemüht. Wir haben richtig dazugehört. Aber es war halt Sexau und nicht Freiburg.
Mia, du hast bereits in der Vorsaison erste Einsatzzeiten in der Bundesliga bekommen und gehörst mittlerweile fest zum Frauen-Kader. Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?
Büchele: Wir haben dreimal in der Woche früh Training, viermal abends und samstags gibt es vor den Spielen noch eine Aktivierung.
Behringer: Wir hatten, als ich hier angefangen habe, keine Vormittags-Einheiten, eine Aktivierung am Abend vor dem Spiel gab es auch nicht. Da hat sich alleine in den vergangenen 15 Jahren extrem viel getan.
Bauer: Und in den vergangenen 50 natürlich nochmal einiges mehr.
Bis vor 50 Jahren war der Frauenfußball in Deutschland sogar offiziell verboten. Wisst ihr, warum?
Behringer: Lag es daran, dass man befürchtete der Körper der Frau würde sich dadurch verändern? Ich glaube, ich habe das kürzlich gelesen.
Bauer: Es galt die Meinung, dass Frauen nicht dafür gemacht sind, glaube ich.
Die Begründung lautete: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“
Büchele: (lacht) Kaum zu glauben, dass es erst 50 Jahre her ist, dass sich an diesem Bild langsam etwas getan hat.
Behringer: Aber es ist natürlich schön, dass sich die Sichtweise auf den Frauenfußball so positiv verändert hat.
Bauer: Auch nachdem das Verbot gekippt wurde, gab es noch eine ganze Weile Einschränkungen im Frauenfußball. Der Ball war kleiner und es wurde nicht über zwei Mal 45 Minuten gespielt. Stollenschuhe waren anfangs auch nicht erlaubt. Das war aber zum Glück alles noch vor meiner Zeit, wenn ich mich richtig erinnere.
Mia, bist du froh, dass du dich mit solchen Einschränkungen nicht mehr herumschlagen musst und machst du dir das manchmal bewusst?
Büchele: Ich finde es tatsächlich schwer mir vorzustellen, wie es vor 50 Jahren gewesen sein muss. Für mich war es immer selbstverständlich auf dem Platz stehen und spielen zu dürfen. Dafür bin ich dankbar.
Wie haben sich denn die Anforderungen an Spielerinnen über die Jahre verändert?
Bauer: Wir legen mittlerweile mehr Fokus auf die Athletik und die Schnelligkeit von Spielerinnen als noch vor einigen Jahren.
Behringer: (lacht) Das passt, ich war zum Ende hin auch nicht mehr so schnell.
Büchele: Bei mir war die Schnelligkeit wohl auch nicht ausschlaggebend. Aber ich glaube, wenn man als Mädchen bei den Jungs mitspielt, ist es leichter gesichtet zu werden. Für die Athletik und Körperlichkeit ist es sicher auch hilfreich, weil das Tempo ein Stück höher ist.
Bauer: Dazu kommt, dass die Spielerinnen taktisch und körperlich besser ausgebildet sind, weil wir personell deutlich besser aufgestellt sind. Das eröffnet deutlich mehr Möglichkeiten. Als ich noch gespielt habe, hatten wir einen Trainer, der für alles zuständig war.
Analog dazu hat auch der Frauenfußball in Freiburg eine enorme Entwicklung durchgemacht. 1991 wurde die Frauenabteilung neu gegründet, 1998 folgte der erste Bundesligaaufstieg. Bis auf drei Spielzeiten spielten die Frauen seitdem in der höchsten deutschen Spielklasse und schafften es wie die Herren, immer wieder junge Talente im Verein auszubilden. Eine Entwicklung, auf die man mit Stolz zurückblicken kann?
Bauer: Ja, auf jeden Fall. Auch wenn es immer wieder wehtut, wenn Spielerinnen, die wir ausgebildet haben, den Verein verlassen. Aber es ist wie es ist, ich bin davon überzeugt, dass es für unseren Verein der richtige Weg ist. Wir hoffen einfach, dass wir unsere Talente so lange wie möglich halten können.
Behringer: Der Schritt ins Schwarzwald-Stadion würde da sicher weiterhelfen. Dort hätten wir ganz andere Arbeitsbedingungen.
Du hast als erste Spielerin vom Sport-Club den Schritt zu den Bayern gewagt, Mel. Wo hat in deinen aktiven 16 Jahren aus deiner Sicht die größte Entwicklung stattgefunden?
Behringer: Auf dem Platz, wie Birgit schon gesagt hat, im Bereich Athletik und Tempo. Auch das ganze Drumherum, mit dem größeren Trainerteam und den allgemeinen Bedingungen ist heute in Deutschland wesentlich professioneller, als noch vor einigen Jahren. Das hängt aber natürlich damit zusammen, dass mittlerweile auch deutlich mehr Geld im Spiel ist.
Und in welchen Bereichen besteht noch Reformbedarf?
Bauer: Ich wollte vor einigen Wochen das Frauenbundesliga-Spiel zwischen Hoffenheim und Bremen im Fernsehen gucken. Da aber das Tennisspiel, das vorher auf demselben Sender gezeigt wurde, länger als erwartet gedauert hat, wurde der Anfang des Spiels doch nicht wie angekündigt übertragen. Das wäre im Herrenfußball unvorstellbar – da fehlt mir noch die Wertschätzung des Frauenfußballs.
Behringer: Mit Blick ins Ausland ist auch der finanzielle Aspekt nicht uninteressant. In England wird kräftig investiert, in Frankreich sind mittlerweile viele Investoren im Spiel. Wenn der deutsche Fußball da nicht den Anschluss verlieren möchte, sollte auch in der Bundesrepublik mehr Geld in die Hand genommen werden.
Und abschließend: Wenn ihr euch etwas für die nächsten 50 Jahre Frauenfußball wünschen könntet, was wäre es?
Behringer: Sowas ähnliches wie die Sky-Konferenz am Samstagnachmittag (lacht).
Büchele: Allgemein fände ich es schön, wenn noch mehr Frauenspiele live übertragen werden würden, auch wenn sich da in den vergangenen Jahren schon einiges getan hat.
Bauer: Mehr Unterstützung vom Verband um die Infrastruktur im deutschen Frauenfußball zu stärken. Und bezogen auf unsere Frauen: Der Umzug ins Schwarzwald-Stadion.
Interview: David Hildebrandt
Foto: SC Freiburg