"Es geht immer darum, uns treu zu bleiben"

Verein
20.02.2024

Sportdirektor Klemens Hartenbach spricht über Wintertransfers, Verletzungspech und Kaderplanung beim Sport-Club im Spannungsfeld zwischen 3. Liga und Europa League.

Herr Hartenbach, sind Sie angesichts der extremen Verletzungsserie erleichtert, im Winter mit Attila Szalai kurzfristig noch einen gestandenen Innenverteidiger dazu geholt zu haben?

Hartenbach: Schon durch den längeren Ausfall von Philipp Lienhart und die noch längeren Ausfälle von Kenneth Schmidt und Max Rosenfelder waren wir gebeutelt. Und auch wenn wir mit Attila eine Position für die Rückrunde sichern konnten, ist es jetzt natürlich trotzdem sehr eng. Aber so viele Verletzungen kannst du im Voraus gar nicht absichern.

Die vielen Ausfälle hatten auch zur Folge, dass junge Spieler wie Jordy Makengo, Merlin Röhl oder Noah Weißhaupt viel Einsatzzeit bekamen – und nutzten.

Hartenbach: Natürlich freut es mich wahnsinnig für die Entwicklung von ein paar jungen Spielern, dass sie so viel Erfahrung sammeln konnten. Das nimmt ihnen keiner mehr. Und das ist sehr gut für uns, vor allem, wenn man nicht nur an die aktuelle Saison denkt – was ich ja nie machen darf. Vorher hat man vielleicht gedacht: Oh Gott, wenn der oder der ausfällt, wird es ganz schlimm. So muss man jetzt nicht mehr denken. Das ist definitiv das Positive.

Und dass Florent Muslija jetzt doch mit einigem Beharrungsvermögen schon im Winter geholt wurde, …

Hartenbach: … ist einerseits eine Reaktion auf die aktuelle Situation bei einigen Spielern, und zum anderen wollen wir ihn so schnell wie möglich dahin bringen, wohin er jetzt im zweiten Anlauf, nach Hannover, auch selbst kommen will: Ein richtiger Bundesligaspieler zu sein …

… der sich im Interview auf der SC-Website durchaus selbstbewusst als „schnell, wuselig und trickreich“ beschrieb.

Hartenbach: Dieser Spielertypus hat immer gut zu uns gepasst. Er ist ein verbindender Offensivspieler, der im letzten Drittel etwas kreieren und auch mal selbst zum Abschluss kommen kann. Jetzt gilt es die Balance zu finden zwischen dem Anspruch, sofort spielen zu wollen und geduldig zu bleiben. Das ist die Hürde, die alle nehmen müssen. Und wir hoffen, dass wir ihn in den Gesprächen vorab gut darauf vorbereitet haben.

Gerade nach der Hinrunde und mit Blick auf junge Spieler wie Noah Atubolu, Jordy Makengo, Merlin Röhl oder Noah Weißhaupt müsste es für den SC bei solchen Gesprächen doch einfach sein, Zahlen auf den Tisch zu legen, die belegen, wie viele Spieler hier Jahr für Jahr an das höchste Niveau herangeführt werden.

Hartenbach: Die Anzahl der Spieler, die das registriert, ist größer geworden. Andererseits ist auch die Konkurrenz nicht kleiner geworden. Damit meine ich zahlungskräftige Vereine wie Manchester City oder Chelsea, die Modelle mit vielen Trabantenvereinen entwickeln, auf die Spieler anspringen. Wenn beispielsweise ManCity mit ihrer City Football Group im Rücken anruft, weiß ich als junger Spieler zwar nicht, ob ich dann in Girona oder sonst wo kicken werde, aber mittlerweile haben sie so ein Geflecht aufgebaut, dass sie eine Möglichkeit für den Spieler finden, auf dem passenden Niveau Spielpraxis zu sammeln. Davor musstest du als Großverein dem Spieler noch sagen: Komm zu uns, aber das nächste Jahr hast du keine Gelegenheit zu spielen – beiß dich durch. Wir dagegen konnten sagen: Komm zu uns, hier hast du eine total gute Möglichkeit zu spielen. Vor diesem Hintergrund wird es zunehmend anspruchsvoller für uns.

Tut es bei dieser Gemengelage besonders weh, dass die Zweite Mannschaft in der 3. Liga jetzt auf dem letzten Platz steht?

Hartenbach: Ich weiß noch, wie Bayern München mit der Zweiten erst Drittligameister wurde und im Folgejahr abgestiegen ist. Jetzt wurden wir Vizemeister, stehen ein halbes Jahr später dem letzten Platz und haben gemerkt, wie so etwas passieren kann. Aber es ist noch etwas zu früh, das abschließend einzuordnen. Fakt ist, dass es großartig ist, in der 3. Liga zu spielen. Fakt ist aber auch, dass es einen brutalen Aufwand für alle im Verein bedeutet, zwischen Europapokal und 3. Liga zu arbeiten – auch im Hinblick auf die Kaderplanung und das Scouting. Schließlich wollen wir geschlossen bleiben und keinen Verein im Verein haben. Den Jungs, die weitergezogen sind, kann man es auch überhaupt nicht übelnehmen. Wenn du so erfolgreich 3. Liga spielst und es so handhabst, wie wir das tun – mit einer zugewandten Personalpolitik und nicht zu langen Verträgen, den Spielern als Ausbildungsverein auch die Möglichkeit des Sprungbretts gebend – dann ist es einfach der logische Weg. Wenn zum Beispiel  Philipp Treu, mit seinen 20, 21 Jahren merkt, dass der Sprung zur Ersten Mannschaft noch nicht ganz klappt, dann will er raus aus der 3. Liga oder zumindest aus der Zweiten Mannschaft und dann stehen eben die Zweit- und Drittligisten Schlange.

Ist es zumindest ein Trostpflaster für Sie, das diesjährige Pokalviertelfinale zwischen St. Pauli und Düsseldorf zu sehen, bei dem mit Philipp Treu, Carlo Boukhalfa, Vincent Vermeij, Yannik Engelhardt und Christoph Daferner fünf Spieler, die beim SC II den Sprung geschafft haben, mitgemischt haben?

Hartenbach: Absolut. Deswegen machen wir es!  Das macht einen großen Teil meiner Zufriedenheit im Job aus. Und das ist auch ein wichtiger Teil davon, warum wir als SC Freiburg so gut dastehen. Nicht nur große Transfers wie die von Çağlar Söyüncü, Mark Flekken oder Kevin Schade geben mir Zufriedenheit. Mindestens genauso viel gibt es mir, die Jungs zu sehen, die es sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg geschafft haben.

Sollte die Zweite Mannschaft absteigen, wird der Sport-Club also versuchen, direkt wieder in die
3. Liga hochzukommen?

Hartenbach: Wenn es so kommen sollte, werden wir wieder angreifen, klar. Die 3. Liga ist für junge Spieler eine total geile Plattform. Gegner, Aufmerksamkeit, Stadien: Die freuen sich da total drauf. Das Annehmen einer tieferen Klassenzugehörigkeit ist aber auch eine echte Aufgabe. Wichtig für uns ist es immer, eine nicht optimale Klassenzugehörigkeit, wie das aktuell auch bei der U19 der Fall ist, durch ein sehr gutes individuelles Programm aufzufangen. Über Verbindungstrainer wie Flumi (Johannes Flum; Anm. d. Red.), Felix Roth und Julian Schuster, die eng an den Spielern dran sind, und dass wir sagen: Hey, am Wochenende ist eure Spielfläche zwar eine Klasse unter dem Optimum, aber unter der Woche ändert sich an den Anforderungen und an der Arbeitsweise nichts. Da gibt es kein Nachlassen. Ein Abstieg mit einer Mannschaft heißt beim SC Freiburg nicht, dass die Ausbildung schlechter wird. Eher geht das ins Gegenteil.

Haben Sie überlegt, im Winter auch für die Zweite  Mannschaft noch was auf dem Transfermarkt zu machen?

Hartenbach: Wir überlegen immer in alle Richtungen. Es ist dabei immer die Frage: Was zeigst du damit deinen eigenen Spielern? Und was machst du im Winter, ohne dass es dir im Sommer auf die Füße fällt? Das ist ein Balanceakt. Wir hoffen, dass wir durch die zwei Wintertransfers bei den Profis und entsprechende Rückkehrer aus der Liste der Verletzten die Zweite insofern entlasten, dass Spieler wie Fabian Rüdlin, Mika Baur oder Maximillian Breunig dauerhaft in der Gruppe bleiben können. Es geht bei uns immer darum, uns treu zu bleiben und keine Harakiri-Dinge zu machen, bei denen du dich dann abends, wenn du heimgehst, selbst nicht mehr wohlfühlen würdest.

Macht es Ihre Aufgabe, zum Beispiel im Hinblick auf Neuverpflichtungen für die Bundesligamannschaft, eigentlich komplizierter, dass weithin bekannt ist, dass der Sport-Club finanziell auf gesunden Füßen steht?

Hartenbach: Ich kriege manchmal Mails oder Briefe, in denen gefragt wird: Wollt ihr das Geld eigentlich bunkern? Gebt doch mal Geld aus, ihr habt es doch. Aber das ist zu kurz gedacht. Spieler, die wir für 15 Millionen Euro holen, würden auch nicht mehr in unser Gehaltsgefüge passen. Man muss gut überlegen, an welchen Punkten man anfängt, etwas zu verändern durch eine bessere finanzielle Position, die man sich erarbeitet hat. Für uns ist es ein echter Fortschritt, den ein oder anderen Spieler zum Verbleib in Freiburg bewegen zu können. Dass wir mit den eigenen Jungs, die wir als Stütze haben, rechtzeitig verlängern können. Das haben wir früher nicht oft geschafft. Das wird von manchen vielleicht etwas unterschätzt, aber für uns hat es einen sehr großen Wert.

           

Interview: Alexander Roth und Uli Fuchs

Foto: Achim Keller

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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