"Ein sehr intensives, aber schönes Arbeiten"
Seit 20 Jahren ist Lars Voßler Trainer beim SC. Im Interview spricht er über seinen Weg als Trainer, die gemeinsame Zeit mit Christian Günter und die vollgepackten Wochen des Sport-Club.
Du hast dieses Jahr dein 20-jähriges Jubiläum als Trainer beim SC. Was macht den Trainerjob beim SC für dich so attraktiv?
Lars Voßler: Dass ich Trainer beim SC geworden bin, war eher Zufall. Ich war damals für die IT im Verein verantwortlich und wurde irgendwann gefragt, ob ich Lust hätte, als Co-Trainer in der Fußballschule mitzuarbeiten. Erst als Christian Streich Co-Trainer bei den Profis wurde und ich Cheftrainer bei der U19 wurde, habe ich meinen Bürojob abgegeben und mich voll dem Trainerwesen gewidmet. Besonders schön ist für mich, dass ich in meiner Heimat arbeiten und auf höchstem Niveau Bundesliga-Trainer sein kann. Ich habe immer schon viel Freude am Fußball gehabt und konnte mein Hobby in der Heimat zum Beruf machen – viel besser geht es kaum.
Wie sehen deine Aufgaben im heutigen Trainerteam aus?
Voßler: Gemeinsam mit Flo (Florian Bruns, Anm. d. Red.) liegt mein Schwerpunkt auf den Standards. Dabei konzentriere ich mich insbesondere auf Einwürfe, Spieleröffnung und Anstoß – Dinge in einem Spiel, die wichtiger sind, als man vielleicht erwarten würde. Wir überlegen uns zu Beginn einer Saison für alle Standardsituationen nicht nur eine Variante. Vielmehr sind auch Standards ein Prozess. Es geht darum, diese immer wieder weiterzuentwickeln, wenn uns auffällt, dass die Gegner sich schon auf bestimmte Szenarien bei unseren Einwürfen, Ecken, etc. eingestellt haben. Dann wollen wir neue Möglichkeiten finden, um immer wieder für überraschende Momente beim Gegner zu sorgen und so gefährlich zu sein. Dafür ist Trainingszeit enorm wichtig, weil wir neue Standardvarianten natürlich auch ausprobieren und üben müssen. Diese Zeit fehlt uns aufgrund der vielen Spiele momentan.
Christian Günter ist fast genauso lange beim SC wie du – seit 19 Jahren. Wie hast du ihn damals kennengerlernt?
Voßler: Als Chris zum SC kam, war ich bereits Co-Trainer bei der U19, er spielte in der U17. Ich weiß noch, dass er sich damals schwergetan hat. Er saß viel auf der Bank, auch noch, als er zur U19 hochkam. Aber was damals schon sehr auffällig war, war sein absoluter Wille. Er war – ich denke, ich darf das sagen – nicht der Talentierteste am Ball. Aber Talent hat ja viele Ausprägungen und seines war dieser abartige Wille. Hinzu kam noch seine vorbildliche Haltung. Er war sich nie sicher, ob er den Sprung zu den Profis schaffen würde. Also machte er nebenher eine Ausbildung und nahm diese große Belastung aus Training, Ausbildung und dem langen Weg nach Freiburg und zurück in seinen Heimatort täglich auf sich. Und genau dank dieser Haltung ist er nun auch zum verdienten Rekordspieler beim SC geworden.
Klemens Hartenbach sagte jüngst im Interview, Christian Günter habe sich in all den Jahren vom Jugendspieler zum Rekordspieler als Typ kaum verändert. Was sagst du dazu?
Voßler: Seine Haltung ist geblieben und ich glaube, die gehört einfach zu seinem Naturell. Er hatte in seiner Karriere auch den einen oder anderen Rückschlag zu verarbeiten – sei es in der Jugend viel Zeit auf der Ersatzbank zu haben, wenig Spielzeit zu bekommen oder seine schwere Armverletzung vor zwei Jahren. Aber er ist immer drangeblieben, hat in Trainingseinheiten Vollgas gegeben und sich von nichts unterkriegen lassen. Ich erinnere mich, wie er nach Zweikämpfen mit Garra Dembélé durch die Luft geflogen ist und wir im Trainerteam dachten: Da fehlt einfach noch was. Aber dann gab es einen Moment, da war es andersrum: Da flog Dembélé durch die Luft und Chris (Christian Streich, Anm. d. Red.) hat zu mir gesagt: ‚Jetzt ist er so weit‘. Kurz darauf hatte er sein Bundesligadebüt. Es waren immer schon diese Eigenschaften, die ihn bis heute ausmachen: unbedingter Wille, Mentalität und Haltung. Das ist oftmals die größere Qualität als das Talent. Chris‘ Geschichte sollte Ansporn für viele junge Fußballer sein.
Nach Günters Rekordspiel gegen St. Pauli habt ihr nun ein paar freie Tage, nachdem ihr zuletzt viel unterwegs wart und dreimal die Woche gespielt habt. Welche Bedeutung hat das Wort „durchschnaufen“ gerade für euch?
Voßler: Der Begriff passt sehr gut und die Länderspielpausen tun gut. Obwohl wir uns alle freuen, in allen drei Wettbewerben vertreten zu sein, ist die Vorbereitung auf die einzelnen Spiele herausfordernder. Zwischen den Spielen sind wir damit beschäftigt, das kommende Match vorzubereiten, den kommenden Gegner zu beobachten, aber auch das vergangene Spiel nachzubereiten. Das passiert alles innerhalb von wenigen Tagen und wir können uns in diesen Phasen nicht mehr acht Spiele eines Gegners anschauen, sondern wir fokussieren uns auf Spiele, aus denen wir am meisten Informationen herausziehen können. Es ist aktuell ein sehr intensives, aber dennoch schönes Arbeiten. Wichtig war jetzt aber auch der Sieg gegen St. Pauli in der Bundesliga, in der wir davor einige Spiele nicht gewinnen konnten.
Das Spiel gegen St. Pauli war das erste Heimspiel nach vier Auswärtsspielen in Folge – wie gut tat das nach diesen vielen Reisen?
Voßler: Nichts ist mit Spielen zuhause vergleichbar. Es ist und bleibt einfach am schönsten, im eigenen Stadion zu spielen und zu arbeiten.
Zwölf Tage, vier Auswärtsspiele mit einer Reise nach Nizza, bei der An- und Abreise anders als geplant liefen. Wie blickst du auf die Auswärtsserie zurück?
Voßler: Auswärtsspiele gehören dazu, auch wenn vier am Stück schon besonders waren. Rückblickend ging diese Serie mit der Niederlage in Leverkusen für uns nicht gut los, aber in Düsseldorf haben wir gewonnen sind damit im Pokal eine Runde weiter – das ist die Hauptsache. Ein Punkt bei Union ist nach diesem Spielverlauf gut. Wir hatten die Möglichkeit, das Spiel für uns zu entscheiden, genauso aber Union gegen Ende. Das Spiel in Nizza war ein schöner Abschluss dieser Serie. Wir haben die Partie nach Rückstand gedreht, sind in der Europa League noch ungeschlagen. Den etwas verlängerten Aufenthalt in Nizza, weil wir nach dem Spiel aufgrund des Wetters nicht mehr nach Hause fliegen konnten, hat die Mannschaft gut verkraftet. Es waren in allen Spielen Dinge dabei, über die wir nochmal sprechen wollen. Dafür haben wir jetzt, Gott sei Dank, mal wieder eine gute Woche Zeit. Zuvor war die Kapazität dafür nicht da. In erster Linie waren während dieser Serie Haltung, Energie und Regeneration wichtig.
Nur zwei Spieler, Matthias Ginter und Maximilian Eggestein, haben alle 16 Pflichtspiele dieser Saison über die volle Distanz absolviert – wie schaffen sie das?
Voßler: Bei Matze hat es sicherlich auch mit der Position zu tun. Ein Innenverteidiger hat, was Laufvolumen, Abbremsbewegungen und Sprints angeht, ganz andere Belastungen wie zum Beispiel ein offensiver Mittelfeldspieler. Deshalb kann ein Innenverteidiger dieses Pensum eher gehen. In unserem Spiel ist die Laufarbeit in den vorderen Positionen enorm. Egge hat auch ein großes Laufpensum, aber er bewegt sich viel vor der Abwehr, ist somit nicht konstant zwischen den beiden Strafräumen unterwegs und muss nicht so viele Sprints gehen. Mit ein bisschen Strategie in seinem Spiel kann er so das große Pensum absolvieren. Ein wichtiger Faktor ist bei beiden auch, dass der Körper gut mitmacht.
Das Team hat jetzt drei Tage frei. Hast du Pläne?
Voßler: Ich freue mich sehr auf die freien Tage und werde zuhause sein. Dort habe ich auch das eine oder andere zu tun, kümmere mich um Dinge, die liegen geblieben sind. Vielleicht schlafe ich auch mal etwas länger aus, gehe in die Natur oder ins Kino.
Isabel Betz
Foto: SC Freiburg

