Taktikschule: Ball stoppen war gestern

Verein
17.12.2025

In der kleinen Heimspiel-Taktik-Schule erklärt Martin Schweizer, Sportdirektor der Freiburger Fußballschule, dieses Mal, warum der "erste Kontakt" so wichtig geworden ist – und weniger der Ball gestoppt als vielmehr das Spiel fortgesetzt werden soll. 

Herr Schweizer, die Ballannahme galt früher als Grundtechnik, die selbst Wald- und Wiesenkicker einfach draufhaben müssen. Und ging sie schief, lästerte man am Dorffußballplatz: „Der stoppt, wie ich schieße!“ oder „Der kann ja keinen Ball stoppen!“ Im Profifußball von heute kommentieren Expertinnen und Experten geglückte Ballannahmen wiederum oft geradezu verzückt: „Super erster Kontakt!“ Wieso wird da eine einstige Minimalanforderung so abgefeiert?

Schweizer: Das hat damit zu tun, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Spielgeschwindigkeit im Spitzenfußball stetig gestiegen ist. Früher ging es methodisch erstmal darum, einen Ball, der mit einem gewissen Tempo auf mich zukommt, auf null Tempo runterzubringen, also „tot“ zu stoppen, um danach etwas Sinnvolles mit ihm anzustellen. Im heutigen Spitzenfußball habe ich für eine reine Ballannahme aber meist zu wenig Zeit. So muss ich mich mit dem ersten Kontakt oft schon gleich in einen günstigen Raum bewegen, weswegen man hier ja auch gern von einer Ballan- und mitnahme spricht.

Aus zwei Kontakten macht man einen, weil man den Ball gleich im ersten Kontakt mitnimmt, statt ihn nur zu stoppen.

Schweizer: Genau. Es geht um Zeitersparnis. Stockt mein Spiel, sodass ich nicht in gefährliche Räume und zu keinen Torchancen komme, liegt das oft an einzelnen schlechten Ballan- und -mitnahmen, die dem Gegner die Zeit geben, die Räume immer wieder zuzulaufen. Der erste Kontakt ist also für eine schnelle, flüssige Spielfortsetzung extrem wichtig – überall auf dem Platz. So braucht ein Innenverteidiger im Spielaufbau einen guten ersten Kontakt, der ihm – tack! – sofort alle Optionen der Spielfortsetzung eröffnet: Andribbeln, langer Diagonalpass oder kurze Anspiele zum Außenverteidiger oder Sechser.

Für Strafraumstürmer ist der erste Kontakt auch oft entscheidend, denn im besten Fall geht er direkt ins gegnerische Tor.

Schweizer: Oder aber der Stürmer muss sich mit dem ersten Kontakt erst eine gute Abschlussposition erarbeiten. Ist der Kontakt aber nicht optimal, ist die Chance höchstwahrscheinlich dahin: Statistisch belegt fallen Tore von innerhalb der Box fast ausschließlich per erstem oder zweitem Kontakt. Oder nehmen wir einen Außenstürmer: Ohne guten ersten Kontakt kommst du hier oft gar nicht ins frontale Eins-gegen-Eins, sondern stehst mit dem Rücken zum Gegenspieler. Und selbst ein Torwart braucht einen guten ersten Kontakt, um nach Rückpässen auch unter Druck durch ansprintende Stürmer nicht in die Bredouille zu kommen.

Klassespielern wie Lamine Yamal gelingen perfekte erste Kontakte beiläufig wie das Zähneputzen. Ist so ein Können wirklich durch Training zu erreichen? Oder hat man es oder eben auch nicht?

Schweizer: Sicher spielt Talent da eine Rolle, aber man kann den ersten Kontakt auch durch Training extrem verbessern. Der Schlüssel ist dabei, nicht nur stupide einen An- und mitnahmeablauf immergleich zu wiederholen, sondern zudem vielfältige Variationen drin zu haben: unterschiedliche Winkel und Entfernungen, aus denen unterschiedliche Bälle, auch mal ein Tennisball, unterschiedlich scharf auf mich zukommen. Ein Profi muss zudem zwingend ein paar Finten bei der Ballan- und mitnahme draufhaben, etwa den Ball – statt wie fintiert per Innenseite nach links – dann doch per Außenrist nach rechts mitzunehmen. Körperfinten, Lauffinten, Übersteiger – es gibt hier unzählige Möglichkeiten.

Verbieten Trainer mitunter auch bestimmte Arten der Ballmitnahme? Manche Außenverteidiger etwa sieht man kaum mal – etwa vom Innenverteidiger angespielt – nach innen dribbeln, obwohl das oft gute Optionen eröffnen könnte.

Schweizer: Trainer geben mitunter schon vor, in welchen Zonen sie auf keinen Fall Ballverluste und somit nur absolut risikofreie erste Kontakte haben wollen. Andere wieder fordern den Mut zu offensiven Spielfortsetzungen – wann immer möglich – auch etwa von Außenverteidigern oder Sechsern ein. Je nachdem, welche „Risikodosierung“ man forcieren will, kann man in Trainingsspielformen Kontaktzahlen je nach Spielzone definieren, zum Beispiel freies Spiel im Aufbau, zwei Kontakte im Mittelfeld und nur noch Direktspiel im letzten Drittel. Die richtige Entscheidung im Spiel muss der Spieler aber alleine und oft intuitiv treffen.

Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs

Bildunterschrift: Ein Maitre der Ballan- und mitnahme: Bayerns Michael Olise (rechts, hier gegen Jordy Makengo) beherrscht den ersten Kontakt wie wenig andere.

Dieses Interview war als erstes in unserem Stadionmagazin Heimspiel zu lesen, das auch als Abo erhältlich ist. 

 

 
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