Seit September 2025 ist das Dreisamstadion 70 Jahre alt. Unser Stadionmagazin Heimspiel widmet sich anlässlich des 70. Geburtstags des Dreisamstadions der wechselvollen Historie dieser Spielstätte – von den Anfängen bis heute.
Wenige Monate vor Beginn der Ära von Trainer Volker Finke im Jahre 1991 wurden die Spielerkabinen, Schiedsrichterräume und Zuschauertoiletten im Bauch der Haupttribüne des Dreisamstadions eingeweiht. Dennoch war der dienstbefreite Gymnasiallehrer aus Niedersachsen „zunächst ein bisschen schockiert“ über die Zustände beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg, wie er vor einigen Jahren in einem Interview mit transfermarkt.de zu Protokoll gab. „Warmwasser suchte man in den Duschen im Dreisamstadion vergebens, eine Rasenheizung, Flutlichtanlage oder gar ein Greenkeeper waren auch nicht vorhanden. Um das Mähen der Rasenplätze kümmerte sich das Gartenbauamt der Stadt Freiburg. Wir mussten immer hinterher sein, dass die auch wirklich kommen und uns nicht vergessen.“
Getreu dem Motto „Steine statt Beine“ trat Finke fortan öffentlichkeitswirksam für zügige Investitionen in die marode Infrastruktur ein. Konflikte mit dem Ersten Vorsitzenden, den stets die Sorge um einen Abstieg umtrieb, blieben da nicht aus. Vor jeder von Finke angestoßenen Umbaumaßnahme habe Achim Stocker voller Skepsis gefragt: „Trainer, bleiben wir drin?“
Früh aber erkannte Stocker, der in seiner damals bereits 19 Jahre währenden Amtszeit ebenso viele Trainer entlassen hatte, dass es mit diesem hier etwas Besonderes auf sich hatte. Zwar kokettierte er gerne mal damit, etliche seiner „Kompetenzen an der Garderobe“ abgegeben zu haben – und leicht mag es ihm auch nicht gefallen sein. Rückblickend war es eine nicht hoch genug zu würdigende Leistung des langjährigen Alleinentscheiders, seinem umtriebigen Trainer so viel Gestaltungsraum – auch jenseits des Rasens – überlassen zu haben.
Im Dezember 1992 ließ Stocker also das Buschwerk an der Strandbadseite entfernen und das Gelände einebnen. Wenig später erteilte die Stadt die Baugenehmigung für die Errichtung eines Oberrangs auf der Gegengerade. Dadurch erhöhte sich die Stadionkapazität um etwa 1.600 Plätze. Auch die im Unterrang verbleibenden Stehplatzfans waren fortan durch das neu angebrachte Dach vor der Witterung geschützt. Die Besucher der um weitere drei Stufen erweiterten Nordtribüne dagegen blieben Wind und Wetter weiterhin ausgesetzt.
Als dem Sport-Club im Mai 1993 schließlich der unverhoffte Aufstieg in die Bundesliga gelungen war, zog der Verein derart viele Freiburger in seinen Bann, dass sich Achim Stocker angesichts der sprunghaft gestiegenen Ticket-Nachfrage „regelrecht schockiert“ zeigte. Das nunmehr 15.000 Plätze bietende Dreisamstadion stieß unwiederbringlich an seine Kapazitätsgrenzen. Auch Volker Finke half zur Bewältigung des gewaltigen Andrangs in der Geschäftsstelle aus. SC-Anhänger, die den teils erheblichen Sichteinschränkungen mithilfe von Bierkisten und bunten Styroporwürfeln zu begegnen versuchten, prägten das Bild.
Wenige Tage nach dem ersten Bundesliga-Heimsieg, gegen Wattenscheid 09, kam beim DFB-Pokalspiel gegen Fortuna Köln erstmals die brandneue Flutlichtanlage zum Einsatz. Sie galt seinerzeit wegen der hydraulisch absenkbaren Masten als überaus modern. Die daran befestigten 163 Spezialleuchten mussten nicht wie sonst üblich in schwindelerregender Höhe gewartet werden. Spätere Umbauten machen es heute erforderlich, dass das Stadiontechniker-Team die Leuchtmittel über eine Hebebühne austauscht.
Im Oktober 1993 leitete Oberbürgermeister Rolf Böhme die seitliche Erweiterung und Aufstockung der Haupttribüne um 15 Reihen sowie die Einrichtung eines kleinen VIP-Bereichs in die Wege. Die wachsende sportliche Bedeutung des Sport-Club zeigte sich nicht zuletzt in der Bereitschaft des Landes, Mittel von bis zu fünf Millionen Mark für die Umsetzung des Vorhabens zur Verfügung zu stellen. „Wir können nicht in Stuttgart auf 60.000, in Karlsruhe auf über 40.000, in Mannheim auf deutlich über 30.000 gehen und in Freiburg nichts machen“, bemerkte der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger.
Auch der im Frühjahr 1994 weithin sicher geglaubte direkte Wiederabstieg veranlasste Freiburgs Sportbürgermeister Thomas Landsberg indes nicht zu einem Planungsstopp: „Egal in welcher Liga der SC in der nächsten Saison spielt: Die Tribüne wird ausgebaut.“
Gespielt werden sollte dann auch in der Folgesaison im Oberhaus: Der SC hielt durch den legendären 2:0-Sieg in Duisburg am letzten Spieltag der Saison 1993/94 die Klasse. Und in der Sommerpause nahmen sich die Verantwortlichen des der Kurzpass-Spielweise hinderlichen Rasens an: „Auf einem solchen Acker“, spottete Hertha-Trainer Uwe Klimaschefski in den Achtzigern, „sollte man in Südbaden besser Kartoffeln anbauen.“
Fortsetzung folgt ...
Thomas Müller Heiduk (Arbeitskreis Vereinsgeschichte)
Fotos: SC-Archiv (2) / Imago Images (2)
Der Text erschien im Stadionmagazin "Heimspiel", das in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert und auch im Abo erhältlich ist.