"Melcher, wir sind hier nicht in Leverkusen"

Verein
05.12.2023

Als Alfred Melcher vor 24 Jahren erster Greenkeeper beim Sport-Club wurde, war das eine Sensation – wie kurz darauf der Rasen im Dreisamstadion. Jetzt hat Melcher aufgehört. Ein Abschiedsinterview.

Alfred, wenn Spieler ihre Karriere beenden, werden sie nach ihren schönsten Spielen gefragt. Dich als Greenkeeper fragen wir natürlich: Was war der schönste Rasen, den du je gesehen hast?

Alfred Melcher: Der von Arsenal London. Da war ich vor einigen Jahren mal, um mir anzuschauen, wie die das auf der Insel machen. Aber der Platz in Leverkusen, neulich, stand dem auch in fast nichts mehr nach.

Der Platz also, auf dem du quasi deine Wurzeln hast. Schließlich kamst du 2000 von Bayer Leverkusen zum Sport-Club. Wo, so geht jedenfalls die Legende, der sparsame SC-Präsident Achim Stocker bereits nach einem halben Jahr zu dir gesagt habe: Herr Melcher, von mir bekommen Sie, was Sie wollen. Bestellen Sie.

Melcher: So ähnlich war es auch. Aber nach den ersten drei Monaten hatte ich noch gedacht: „Das macht keinen Sinn. Da gehst du besser wieder zurück nach Leverkusen.“ Ich hatte als erste Amtshandlung einen Torraum, der total lückig und uneben war, neu gemacht. Richtig Geld – so etwa 10.000 Euro – hat das damals gekostet. Solche Rechnungen war Achim Stocker nicht gewöhnt. Dann habe ich auch noch eine Palette Dünger gekauft, während Stocker bis dahin immer mal wieder ein, zwei Sack über Freikarten besorgt hatte. Er kam dann mit der Rechnung in der Hand runter auf den Platz und hat gefragt: „Was ist denn das jetzt schon wieder? Melcher, wir sind hier nicht in Leverkusen.“ (lacht) Im Januar, Februar siehst du obendrein kaum Auswirkungen von dem, was du da machst. Aber im Mai war der Platz dann auf einmal top. Das war der Moment, als sich Stockers kritische Einstellung geändert hat. Bis dahin musste mir Andreas Rettig aber oft den Rücken stärken.

Für die jüngeren Leserinnen und Leser: Das ist der heutige Geschäftsführer Sport beim DFB, der damals Manager beim SC und zuvor bei Bayer Leverkusen war, von wo er dann auch dich hierher gelotst hat.

Melcher: In Leverkusen war er erst Jugendleiter und dann rechte Hand von Rainer Calmund. Als er zum SC gegangen ist, dachte ich schon: „Wow.“ Freiburg kannte ich bereits als schönes Städtchen, und der SC war eine echte Überraschung damals. Das hätte mich auch gereizt – und dann kam tatsächlich die Anfrage.

Dass Freiburg sich einen Greenkeeper holte, war, zumindest in Insiderkreisen, damals eine echte Weltsensation. Der Verein, der nie für etwas Geld hatte, leistet sich plötzlich jemanden, der „nur“ für den Rasen zuständig ist. Noch dazu in einer Zeit, als in Deutschland noch die Meinung vorherrschte, dass der Untergrund ohnehin keine Rolle spielt. Aber schnell gab es Lob von allen Seiten. Der Spieler Mark Fotheringham hat mal gesagt: „Wenn du hier den Ball nicht passen kannst, musst du nach Hause gehen.“ Und der kam bekanntlich von der Insel.

Melcher: Mein schönstes Lob aber kam von Ruud van Nistelrooy, der mit der Niederländischen Nationalmannschaft bei der WM 2006 ja im Dreisamstadion trainierte. Nach zwei, drei Einheiten kam er und meinte, dass das der beste Platz sei, auf dem er je gespielt habe. Besser als die in England, wo er damals bei  Manchester United spielte, bevor er nach der WM zu Real Madrid ging.

Gab es auch mal Dinge, die so richtig schief liefen?

Melcher: Fehler macht man immer. Und zu meinen habe ich immer gestanden. Ganz aktuell zum Beispiel kann es sein, dass wir den Platz im Europa-Park Stadion im Sommer zum falschen Zeitpunkt etwas zu viel bearbeitet haben. Dann kam eine Hitzewelle und durch die Bearbeitungslöcher die Wärme noch viel besser an die Wurzeln. In der Länderspielpause nach dem Bremen-­Spiel, als es etwas kühler war, haben wir nochmal Löcher gemacht, und prompt kam wieder eine Hitzewelle. Das kann mit die Ursache sein, dass die Wurzeln jetzt ganz verkümmert sind.

Wenn du den Kölner Trainer Steffen Baumgart hörst, wie er über den Rasen schimpft, hast du dann Mitleid mit deinen Kolleginnen und Kollegen in Köln?

Melcher: Ja. Die werden ihren Job auch nach bestem Wissen und Gewissen machen und schauen, dass es auf den Punkt zum Spieltag hin funktioniert. Köln ist auch ein hohes, steiles Stadion mit viel Verschattung. Das Problem mit den Wurzeln haben im Moment alle – außer die mit Hybridrasen. Da hast du das nicht, weil gar keine Wurzeln da sind. Die säen überall nach, und es wird grün, weil das Hybridgeflecht den Rasen hält.

Warum haben dann nicht alle Hybrid?

Melcher: Das hat auch Nachteile. Der Rasen ist dichter und härter. Das kann höhere Verletzungsgefahr nach sich ziehen. Außerdem muss man den Rasen jedes Jahr komplett abfräsen und neu ansäen. Und unter bestimmten Bedingungen ist er auch rutschiger. Ich war bislang jedenfalls nicht der große Fan. Aber meine Nachfolger können sich da ja neue Gedanken machen.

Kannst du nach all den Jahren überhaupt loslassen oder wirst du jetzt zumindest den besten Rasen der Stadt in deinem Garten haben?

Melcher: Das werde ich nicht. Anfangs dachte ich tatsächlich, als SC-Greenkeeper kannst du dir doch nicht die Blöße geben – da musst du zu Hause einen perfekten Rasen haben. Aber dann kam von rechts und links immer der Klee reingeflogen. Außerdem hat meine Tochter gerade ihr Umweltwissenschaftsstudium beendet, und wir lassen es jetzt schön wachsen und blühen, damit die Bienen auch eine Freude haben.

Wirst du hier ins Stadion kommen können, ohne runter auf den Platz zu gehen und zu schauen, was Sache ist?

Melcher: Ja. Auch im Urlaub konnte ich in den vergangenen Jahren immer gut abschalten, weil ich wusste, dass hier gute Leute sind, die das im Griff haben.

Jetzt oder nie: Stimmt es eigentlich, dass du der Greenkeeper warst, den die Bayern holen wollten?

Melcher: Ja, das stimmt. Als die Allianz Arena fertig war, kam damals aus München die Anfrage.

Warum bist du nicht gegangen?

Melcher: Das Angebot war gar nicht so attraktiv, außerdem war ich SC-Fan geworden. Eigentlich gleich beim ersten Spiel, im Februar 2000. Gegen Ulm war das, und es ging gegen den Abstieg. Es war kalt und schon dunkel. Bei uns saßen vier Amateure aus der Zweiten auf der Bank. Das Stadion war voll und eng und die Leute total dabei. Das Gefühl, dass hier alle in einem Boot sitzen, das in einem Haifischbecken schwimmt – das kannte ich aus Leverkusen nicht. Wenn dort Gladbach kam, habe ich als alter Gladbach-Fan immer gedacht: Lasst denen doch die Punkte. Die holt ihr doch auch noch gegen andere. In Freiburg war es anders. Hier wollte ich nie, dass die Borussia was holt.

Und jetzt, wo der SC Jahr für Jahr gewachsen ist und international spielt: Gönnst du ihnen mittlerweile einen Punkt in Freiburg?

Melcher: (lacht) Nein, so schlimm ist es noch nicht.

 

Interview: Uli Fuchs und Alexander Roth

Bild: SC Freiburg

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

                                                                                                                     

 
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