Taktikschule: Vorsicht, nicht verhätscheln

Verein
14.02.2023

Dieses Mal im Blickpunkt der kleinen Taktikschule: Verhindern Nachwuchsleistungszentren "echte Typen"? Martin Schweizer, Sportdirektor der Freiburger Fußballschule, klärt auf. 

Herr Schweizer, nach Deutschlands WM-Vorrundenaus in Katar gab's Kritik an den NLZ, also den Nachwuchsleistungszentren: Sie brächten keine Typen, keine Mentalitätsspieler hervor. 

Martin Schweizer: Aus meiner Sicht lag das Hauptproblem des DFB-­Teams bei der WM im Verteidigen: einerseits im kollektiven Um­schalten nach Ballverlust. Zum anderen wurde mitunter individuell nicht gut gegen den Mann verteidigt. Bei Letzterem sehe ich uns NLZ mit in der Pflicht: Da es im modernen Fußball keine reinen Manndecker mehr gibt, hatten wir bei den Verteidigern in den letz­ten 15 Jahren vielleicht das Aufbauspiel zu sehr im Fokus - zu Las­ten des defensiven Eins-gegen-Eins ... 

...wobei unserem SC-NLZ durchaus starke Verteidiger entstam­men, etwa Ömer Toprak oder Matthias Ginter. Wie wird man ein Top-Zweikämpfer? 

Im Alter von elf bis 15 Jahren muss man Eins-gegen-Eins-Qualitäten ausprägen, offensiv wie defensiv. Sonst wird man kein Weltklassespieler mehr. Danach gilt es - etwa im NLZ - Die Mann-Mann-Verteidigung im Detail zu verfeinern und zu schulen, zudem das Verteidigen im Kollektiv. 

Ist der DFB da auf dem richtigen Weg? 

Ich finde: ja. Bei den Kleinsten wird endlich in kleineren Gruppen gespielt, um ihnen mehr Ballkontakte und Lerngelegenheiten im offensiven wie defensiven Eins-gegen-Eins zu verschaffen. In Südbaden sind schon bis zur U11 kleinere Teams vorgegeben. Der Übergang zum Elf-gegen-Elf soll langsam vorangehen, und das verspricht offensiv wie defensiv individuell bessere Spieler. 

Ist die NLZ-Schelte zu generalisiert, und es gibt gar kein Grundsatzproblem?

Sicher hätte Deutschland mit seinem Kader besser abschneiden können, Torchancen waren genug da. Aber ich sehe auch Grundsatzprobleme. Frankreich könnte mühelos drei konkurrenzfähige WM-Teams stellen, Deutschland nicht. 

Warum mangelt es hierzulande offenbar an Super-Verteidigern und angeblich auch sogenannten Mentalitätsspielern?

Fast alle NLZ haben beste Zertifizierungsergebnisse, deshalb spucken sie aber nicht quasi automatisch unzählige Spitzenspieler aus. Letztlich müssen wir jeden Spieler individuell fördern, den Teamgedanken ausprägen, zugleich Eigenheiten zulassen: Jeder muss auf und neben dem Platz immer er selbst sein dürfen. Zudem wurde und wird in Deutschland leider vielfach der Erwachsenenfußball auf den Jugend- und sogar Kinderfußball projiziert: Der Nachwuchs wird trainiert, anstatt die Kids erstmal einfach spielen zu lassen. 

Es gibt also auch ein - in Anführungszeichen - "Trainer/innenproblem"?

Zum Teil - und das rührt auch daher, dass viele Jugendtrainer in den lukrativen Profibereich drängen und deshalb Ergebnisfußball spielen lassen. Hier brauchen wir stattdessen Altersexperten, die die Talente altersgerecht fördern. Zum Glück haben wir solch passionierte Jugendcoaches hier beim SC. 

Welche Rolle spielen allgemeine und soziale Einflüsse?

In unserer Wohlfühlgesellschaft haben Kinder unzählige Freizeitoptionen und Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs. Zudem müssen viele im Alltag kaum mal auf sich allein gestellt Probleme ausräumen. Vielleicht ist deshalb die absolute Gier, etwas zu erreichen, ein Stück weit geringer geworden. Damit müssen wir umgehen und den Jungs vermitteln, was es heißt, in einer guten Lernatmosphäre hartnäckig ein Ziel zu verfolgen und im besten Fall zu erreichen. 

Laufen NLZ, die beste Enwicklungsbedingungen bieten, automatisch Gefahr, Talente zu verhätscheln?

Auf jeden Fall ist das eine Gefahr, der wir versuchen, entgegen zu wirken: Zum Beispiel wenn im Trainingsspiel in begrenzter Zeit ein 0:2-Rückstand aufgeholt werden muss. Aber auch damit, dass die Internatsschüler ihre Wäsche selber waschen und sich selbst Frühstück machen. Immer sollen die Jungs merken: Man bietet mir hier viel, letztlich liegt aber alles an mir selbst. 

Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel".

Foto: Achim Keller

 

 
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