Was es braucht, um eine prägende Figur beim Sport-Club und ein echtes Vorbild auf und neben dem Platz zu werden, wie Christian Günter? Ein tolles Umfeld, ein bisschen Glück – und unendlich viel Engagement und Hingabe. Eine Erinnerung von Christian Streich anhand einem Bild anlässlich des Rekordspiels von Christian Günter.
Das Bild muss beim Trainingsauftakt zur Saison 2012/13 entstanden sein, als wir Günni in den Profikader hochgezogen haben. Mental stark, voller Hingabe und immer positiv in seiner Herangehensweise, so kannte ich ihn da schon aus seiner Zeit in der Freiburger Fußballschule. Zweimal hatte er mit der U19 den DFB-Pokal gewonnen. Erst mit mir und das Jahr darauf als Mannschaftskapitän mit Martin Schweizer als Trainer. Dabei war er in der B-Jugend nicht mal Stammspieler. Aber er ist einfach immer klar geblieben und hat sich reingekämpft.
Für seine Lehre zum Industriemechaniker hat er sich eine Ausnahmegenehmigung besorgt, um morgens früher anfangen zu können, als es der Jugendschutz vorsieht. Und wenn er um 14 Uhr fertig war, ist er die – wenn es gut lief – eineinhalb Stunden von Tennenbronn in die Freiburger Fußballschule runtergefahren. Viermal die Woche und am Wochenende zum Spiel. Das ging nur dank der bedingungslosen Unterstützung seiner tollen Familie.
In der Jugend und auch später hat mich immer sehr beeindruckt, wie er mit Rückschlägen umgegangen ist. Ob bei seiner fürchterlichen Armverletzung vor zwei Jahren oder gleich zu Beginn seiner Zeit bei den Profis. Damals, 2012, hatte er jeden Tag bei den Profis mittrainiert, Spielpraxis bekam er aber erstmal in der zweiten Mannschaft.
Als er dort spielerisch eine schlechte Phase hatte, haben Xaver Zembrod, der damals den SC II trainierte, und ich beschlossen, ihn erstmal auf die Bank zu setzen. Das war brutal für ihn. Aber ich habe ihm damals auch gesagt, dass er es nach wie vor bei den Profis schaffen könnte, wenn er nur weiter so dranbliebe, wie er es bis dahin gemacht hatte. So etwas habe ich nur zu sehr wenigen Spielern gesagt.
Im Oktober saß er beim SC II also auf der Bank, Mitte November hatte er dort schon wieder drei Spiele über 90 Minuten gemacht, und am 8. Dezember konnte ich ihn das erste Mal bei den Profis einwechseln. So ist Christian Günter.
Ich kann nur sagen: Er war und ist ein großartiger Kapitän, von dem ich unglaubliche Unterstützung erhalten habe. Wenn ich manchmal Zweifel hatte, ob ich zu viel oder zu heftig kritisiert hatte, hat er meistens gesagt: „Trainer, Vollgas weiter! Das ist genau richtig. Genau das brauchen wir.“ Schon als junger Profi hat er verstanden, dass es immer nur um den Prozess ging, besser zu werden – und das auch neuen Spielern vermittelt.
Gespielt hat er dann immer. Weil er auf dem Platz und in der Kabine so wichtig war und darüber hinaus ein gutes Beispiel für sehr viele andere Spieler, weil ich immer sagen konnte: „Schau, der hat nichts geschenkt gekriegt. Du kriegst auch nichts geschenkt, wenn du da hochwillst. Er wird nicht aufgestellt, weil ich mich gut mit ihm verstehe. Er wird aufgestellt, weil er für euch und für uns alle so wichtig ist. Weil er so gut ist. Weil er für uns da ist.“
Christian Günter ist ein echtes Sinnbild für den Weg der Freiburger Fußballschule und damit auch für den ganzen Verein. Und das ist absolut keine Lobhudelei. Das ist ganz einfach so.
Aufgezeichnet von Alexander Roth
Foto: Achim Keller
Bildunterschrift: Christian Streich, 60, war bei 488 Pflichtspielen Cheftrainer des SC Freiburg. Bei 397 davon stand Christian Günter auf dem Platz. Günter machte am vergangenen Sonntag gegen den 1. FC St. Pauli sein 441. Pflichtspiel im Trikot des Sport-Club, überholte damit Andreas Zeyer (440 Spiele) und ist damit alleiniger Rekordhalter.
Dieser Text erschien in unserem Stadionmagazin Heimspiel, das in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert und hier auch als Abo erhältlich ist.