Jeder Klub hat seine Kultfiguren.
Vor dem Auswärtsspiel beim FC Augsburg kommt eine dieser Legenden des kommenden SC-Gegners zu Wort: Tobias Werner. Der heute 34-Jährige trug von 2008 an acht Jahre lang das Trikot des FC Augsburg und ist mit 208 Pflicht spielen nach Daniel Baier Rekordspieler der Fuggerstädter. Werner beendete 2019 seine Karriere. Er lebt mit seiner Familie in Augsburg und arbeitet wieder im Verein.
Herr Werner, Sie kommen aus Thüringen, genauer gesagt aus Gera?
Tobias Werner: Genau. Dort habe ich erst in kleineren Vereinen gespielt und ging dann 1998 nach Jena auf das Sportgymnasium.
Carl Zeiss Jena pendelte zu der Zeit zwischen Zweiter Liga, Regional- und Oberliga. Sie waren 12 Jahre alt und nahmen die knapp 50 Kilometer Fahrt mehrmals die Woche auf sich?
Ja, denn Jena war der größte Klub in der Nähe, hatte eine große Tradition und einen guten Ruf als Ausbildungsverein. Dazu war das schulische Konzept überragend. Nils Petersen war übrigens auf der gleichen Schule.
Ah ja?
Klar. Als ich Profi wurde, war Nils noch A-Jugendspieler, aber er kam mit seiner Qualität relativ schnell in die Erste Mannschaft. Wir haben zwei Jahre zusammen bei Jena gespielt.
Recht erfolgreich, Sie sind in die Regional liga aufgestiegen und dann in die Zweite Liga durchmarschiert. Dort hat sich Jena am letzten Spieltag gerettet, durch einen Sieg ausgerechnet in Augsburg?
Wie es im Leben manchmal so ist. Im nächsten Jahr trafen wir am letzten Spieltag wieder auf den FCA. Wir waren aber schon abgestiegen, für den FCA ging es um alles. Da ich Augsburg vorher schon für die nächste Saison zugesagt hatte, verzichtete ich auf die Partie.
Augsburg hielt die Klasse und stieg dann 2011 tatsächlich in die Erste Bundesliga auf.
Davon träumt natürlich jeder Bub. Das erste Bundesligaspiel war übrigens zuhause gegen den SC Freiburg.
Im November schossen Sie Ihr erstes Bundesligator, wieder gegen einen Ihrer späteren Vereine, den VfB Stuttgart.
Wir haben zwar verloren, aber eigentlich war mein erstes Tor zu gleich auch mein schönstes in der Liga. Auch so ein Moment, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde.
Der FCA tat sich im ersten Jahr schwer in der Bundesliga?
Es war nicht einfach, aber im zweiten Jahr war es noch schwerer. Da hatten wir nach der Hinrunde nur neun Punkte. Wir spielten dann eine überragende Rückserie und retteten uns doch noch.
Bedingt durch die typische Mentalität des FC Augsburg: Nie aufzugeben und viel über Physis und Kampf zu machen?
Auf jeden Fall. Aber wir haben uns unter Markus Weinzierl auch spielerisch enorm entwickelt. Das ging soweit, dass wir zwei Jahre später als Tabellenfünfter sogar direkt die Europa League-Gruppenphase erreichten. So etwas schafft man nicht nur mit Kampf, dazu braucht man auch spielerische Elemente.
Vor fast genau vier Jahren standen Sie mit dem FCA im Stadion an der legendären Anfield Road, um gegen den FC Liverpool in der Europa League anzutreten. Haben Sie sich da kurz selbst mal in den Arm gekniffen?
In einem K.o.-Spiel gegen Liverpool in Anfield anzutreten, ist schon irgendwo das Größte. Da kommt man ja nicht einfach so mal hin. Und wenn man sieht, wie Liverpool momentan die Fußballbühne beherrscht, und dann sagen kann: Hier, gegen die habe ich auch schon zweimal gespielt, so etwas ist einzigartig.
War das die stärkste Zeit des FCA?
Wir hatten wirklich eine gute Mannschaft und haben, so glaube ich, auch eine kleine Ära ge schaffen damals. Aber der FC Augsburg ist auch heute noch ein toller Verein, sonst hätte man sich nicht so lange in der Liga gehalten.
2016 wechselten Sie dann zum VfB, ein Jahr später zum 1. FC Nürnberg. Mit beiden Klubs sind Sie aufgestiegen.
Ich hatte einfach das Gefühl, noch etwas Neues machen zu wollen. Beim VfB Stuttgart lief es für mich persönlich nicht ganz so gut, aber in Nürnberg hatte ich noch einmal ein tolles Jahr.
Sie sind mit vier verschiedenen Vereinen fünfmal aufgestie gen. Welches war der schönste Aufstieg?
Jeder hatte was Besonderes und wurde auch von den Fans anders gefeiert. Aber der mit dem FCA in die Bundesliga war der schönste. Schon allein, weil ich und weil der Klub das erste Mal das große Ziel Bundesliga erreicht hatten.
Ist Ihnen der Abschied vom Profifußball schwer gefallen?
Anfangs schon. Aber wenn ich zurückschaue und auf über 300 Pflichtspiele blicken kann, bin ich dafür super dankbar. Und ich bleibe dem Fußball ja erhalten.
Interview: Carmelo Policicchio