Kamps: "Auch viel Bauchgefühl"

Profis
01.03.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Uwe Kamps. 

Herr Kamps, nach Ihrem Karriereende 2004 sind Sie bei Borussia Mönchengladbach direkt als Torwarttrainer eingestiegen, haben Weltklasse-Keeper wie Marc-André ter Stegen oder Yann Sommer geformt. Wie hat sich das Torwarttraining im Vergleich zu Ihrer aktiven Zeit gewandelt?

Uwe Kamps: Inoffiziell habe ich bereits 2001 als Torwarttrainer angefangen. Nach dem Wiederaufstieg in die Bundesliga machte mein Knie Probleme, ich kam nur noch sporadisch zum Einsatz. Also half ich als Torwarttrainer aus - ein fließender Übergang zum neuen Job nach dem Karriereende. Zu meiner aktiven Zeit hatte ich eigentlich nur in den letzten Jahren einen Torwarttrainer. Torhüter Dirk Heyne hatte 1994 seine Karriere beendet - um mich anschließend zwei, drei Mal die Woche gecoacht. Da war ich aber schon über 30. Ich wäre froh gewesen, früher einen Torwarttrainer gehabt zu haben. 

Wieso? 

Kamps: Weil es dann jemanden gibt, der einem zeigt, in welchen Bereichen man sich verbessern kann. Früher haben uns einfach die Co-Trainer ein paar Bälle um die Ohren geschossen oder geworfen - das wars dann aber auch. Spezifisches Torwarttraining bringt einem Torhüter unglaublich viel. 

Die Anforderungen an Torhüter sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch enorm gestiegen...

Kamps: ...wenn man so will, ist der Torhüter mittlerweile der erste Angreifer. Er ist Teil des Spielaufbaus, muss immer anspielbar sein, muss also auch technisch ein gutes Niveau haben, sinnvolle Lösungen unter Druck finden. EIgentlich durchlaufen die modernen Torhüter eine doppelte Ausbildung: als Keeper, der Bälle parieren soll, und als Spieler, der ordentlich kicken kann. Er wird also erwartet, dass er Unhaltbare in der Nachspielzeit abwehrt und den Sieg festhält - und gleichtzeit soll er, natürlich beidfüßig, jeden Abschlag und jeden Abwurf punktgenau zum Mann bringen, um einen Konter einzuleiten. Die Erwartungen sind groß, und häufig wird bei Keepern mit zweierlei Maß gemessen. Achten Sie mal darauf: Wenn ein Torhüter zwei Mal einen Abschlag ins Seitenaus schlägt, raunt das ganze Stadion. Passieren einem Mittelfeldspieler unter Druck zwei Fehlpässe, sagt niemand was. 

Kann man sagen, dass Sie ein Elfmeter-Killer waren? Jedenfalls haben Sie von 38 Elfern in der Ersten Liga zwölf gehalten?

Kamps: Naja, die Quote ist schon okay. 

Und Sie sind den Fans besonders in Erinnerung geblieben, als Sie im DFB-Pokal-Halbfinale 1991/92...

Kamps: Ja, da hielt ich gegen Bayer Leverkusen im Elfmeterschießen alle vier Elfer. Darauf werde ich ständig angesprochen (lacht).

Erinnern Sie sich noch an Ihre Emotionen von damals?

Kamps: Also zunächst einmal habe ich mich danach richtig schleht gefühlt, weil 36 Leute auf mir lagen. Aber es war ein granioses Gefühl - so etwas erlebt man ja nicht alle Tage. 

Und das Geheimnis hinter Ihrer Heldentat?

Kamps: Ganz unvorbereitet war ich nicht. Heute wird ja jeder Schütze des Gegners durchleuchtet. Da schaut man sich die letzten zehn Elfer an, kann Tendenzen und Muster erkennen. Damals war das noch nicht in diesem Maße der Fall. Aber unser Trainer, Jürgen Gelsdorf, hatte zuvor den Gegner trainiert, er kannte also die Leverkusener Schützen. Er sagte mir zum Beispiel, dass Jorginho immer nach rechts schießen würde - also sprang ich dorthin, parierte direkt den ersten Elfer. Das hat natürlich geholfen. 

Und bei den folgenden drei Schützen?

Kamps: Das war auch viel Bauchgefühl. Heute kann man dem Torhüter viel mit auf den Weg geben: alle erdenklichen Infos über den Schützen. Aber am Ende muss ein Keeper in der Situation entscheiden. Und gegen sichere Schützen wie Vincenzo Grifo ist man sowieso meist machtlos - weil die Schüsse so präzise sind. 

Also kann ein Torhüter beim Elfmeter nur gewinnen?

Kamps: Der Druck für den Schützen ist jedenfalls deutlich höher. 

Geben Sie als Torwarttrainer Ihren Stürmern auch Informationen über den gegnerischen Torhüter?

Kamps: Auch das ist Teil der Spielvorbereitung, den Spielern mitzuteilen, wie hoch der gegnerische Torwart steht, wie er sich beim Eins-gegen-Eins verhält, ob man es nach Ballgewinn mal aus dem Mittelfeld mit einem Weitschuss versuchen sollte. Die Frage ist aber: Kann ein Spieler das alles im Stress des Spiels abrufen? Da muss man die Balance finden zwischen Information und Intuition. 

Welche Tipps bekommen die Spieler zu SC-Keeper Mark Flekken?

Kamps: (lacht) Das verrate ich natürlich nicht. Aber Mark hat sich toll entwickelt, spielt eine super Saison - ein großartiger Torwart. Ich fand es sehr schade, dass er nicht mit zur WM durfte, das hätte er sich verdient gehabt. 

 

Interview: Christian Engel

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

Foto: Imago Images

 
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