Im Dreisamstadion entstehen ein „Kompetenzzentrum Kindersport“ und ein „Lernort Stadion“. Hanno Franke, Leiter des Bereichs Marketing und Nachhaltigkeit beim SC, und Tobias Rauber, Leiter Nachhaltigkeit, erklären, welche Ziele diese neuen SC-Projekte verfolgen.
Herr Franke, Herr Rauber, nach Abschluss der jetzt begonnenen Umbaumaßnahmen im Dreisamstadion wird dort nicht nur die Frauen- und Mädchenfußballabteilung des SC Freiburg eine gemeinsame neue Heimat finden. Darüber hinaus entsteht ein Kompetenzzentrum Kindersport. Welche Ziele verfolgt der SC mit solch einem Zentrum?
RAUBER: Ziel ist es, die Qualität im Kindersport in Freiburg und der Region zu verbessern und die Sportstrukturen gemeinsam mit externen Partnern weiterzuentwickeln. Da geht es vor allem um drei Bereiche: Vernetzen, Qualifizieren, Bewegen. Wir hatten hier bereits mehrere Netzwerkveranstaltungen, mit denen wir Vereine, Institutionen, Kitas und Schulen zusammenbringen. Zum Beispiel beim Netzwerktreffen der Sport-Quartiere Freiburg und Treffen der Freiburger Fußballschule mit ihren Kooperationsvereinen. Als Kompetenzzentrum soll das Dreisamstadion noch mehr zu einem Ort werden, wo wir regelmäßig Veranstaltungen zum Thema Kindersport durchführen, an dem wir Menschen, die mit Kinder- und Jugendsport in Freiburg und der Region zu tun haben, zusammenbringen.
Also Lehrerinnen und Lehrer oder Menschen, die in Kitas und in der Schulkindbetreuung tätig sind, für die der Sport-Club bereits regelmäßig Fortbildungen im Bereich Kita- und Grundschulsport anbietet. Oder Trainer/innen, die hier das Kindertrainer/innen-Zertifikat erwerben können, das der Sport-Club gemeinsam mit dem Südbadischen Fußballverband entwickelt hat?
RAUBER: Genau. Den Bereich Fortbildung, den wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, kann man vielleicht als Herzstück des Kompetenzzentrums Kindersport bezeichnen. Studien belegen, dass sich Kinder immer weniger bewegen und immer länger in der Schule sind, wo ab 2026 der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen dazukommt. Um darauf eine Antwort zu haben, sagen wir als SC Freiburg: Breitensportförderung ist uns so wichtig, dass wir noch einmal in die Infrastruktur investieren und Ressourcen schaffen, um hier einen Leuchtturm für Kindersport aufzubauen. An dem an den theoretischen Grundlagen gearbeitet werden kann, aber auch ganz praxisnah: In unterschiedlichen Bewegungsangeboten, für die wir künftig auch den neuen Soccer-Court hinter der Nordtribüne nutzen können.
Was auch der Nachwuchsarbeit in der Freiburger Fußballschule und der Frauen- und Mädchenabteilung zugute kommen könnte: Wenn junge Bewegungstalente sich zum Beispiel für den Fußball als ihren Lieblingssport entscheiden.
F R A N K E : Das ist einer der vielen positiven Effekte. Gemeinsam mit den Verantwortlichen der Freiburger Fußballschule und des Frauen- und Mädchenfußballbereichs haben wir das Konzept des Kompetenzzentrums Kindersport entwickelt. Der Leistungsbereich bei den SC-Juniorinnen und Junioren beginnt ja erst ab der D-Jugend. Deshalb ist es wichtig, schon ganz unten an der Basis anzusetzen. Was wir bereits mit unseren vielfältigen Sport-, Bewegungs- und Fußballangeboten in Kitas, Schulen und Vereinen umsetzen. Allein über die sieben Sport-Quartiere in verschiedenen Freiburger Stadtteilen erreichen wir zum Beispiel zusammen mit unseren Partnern, den Eisvögeln, der Step Stiftung, der Beruf Leben Akademie und der Stadt Freiburg, jede Woche über 2.000 Kinder.
Von denen sich viele sicher freuen würden, künftig auch Veranstaltungen im Kompetenzzentrum Kindersport im Dreisamstadion zu besuchen.
F R A N K E : Wir spüren schon jetzt, dass dieser Ort mit seiner Geschichte und Bedeutung für den SC Freiburg eine ganz besondere Strahlkraft hat. Wir gehen weiterhin in die Schulen, die Kitas, zu Vereinen und auf die Bolzplätze mit unseren Angeboten und AGs. Aber es sollen künftig auch regelmäßig Veranstaltungen am Dreisamstadion stattfinden, wie Fördergruppen-Training, Grundschul-Sport oder Kinderfußball-Trainings. Hierhin, auf das Gelände des SC Freiburg, kommen zu können, wird für viele sicher ein zusätzlicher Anreiz sein.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Idee des Projekts „Lernort Stadion“. Was hat es damit auf sich?
F R A N K E : Die Initiative „Lernort Stadion“ hat ursprünglich die Robert Bosch Stiftung 2009 ins Leben gerufen. Seit 2017 ist die DFL Stiftung Hauptförderin des Projekts. Mittlerweile gibt es ein bundesweites Netzwerk von derzeit 29 Lernorten, die unter der Dachorganisation „Lernort Stadion e.V.“ zusammengebunden sind. Hier im Südwesten gab es bisher noch keinen dieser Lernorte. Die Grundidee ist, die Fußballbegeisterung vieler Jugendlicher zu nutzen und politische Bildungsangebote an einen besonderen Ort zu verlegen: das Fußballstadion. Das inklusive Projekt richtet sich insbesondere an Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren, vor allem aus Haupt-, Real-, und Gesamtschulen sowie sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren.
Es wird sozusagen das Klassenzimmer gewechselt, die Schülerinnen und Schüler kommen ins Dreisamstadion und lernen dort.
RAUBER: Richtig. Inhaltlich geht es darum, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen: Vielfalt und Inklusion, Nachhaltigkeit, Demokratie und Teilhabe, Sozialkompetenzen und digitale Welt. Die Jugendlichen sollen erleben, dass ihre Meinung gefragt ist und es sich lohnt, sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft zu engagieren.
Was auch den Werten entspricht, die in der Vereinssatzung des SC Freiburg festgeschrieben sind.
RAUBER: Und weshalb der Lernort Dreisamstadion, der zum Schuljahr 2025/26 bereits mit einer ausgewählten Schule in eine einjährige Pilotphase startet, künftig auch ein Ort für Bildung und Demokratie sein wird. Die verschiedenen Workshops zur außerschulischen Bildung, die wir in Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt Freiburg anbieten, orientieren sich – wie viele unserer Programme – am Bildungsplan Baden- Württemberg. Es sollen zunächst pro Klasse zwei Workshops pro Schuljahr stattfinden. Die Themen werden dann auch im Schulalltag weiterbearbeitet.
F R A N K E : Ich sehe da durchaus auch Parallelen zum Kompetenzzentrum Kindersport. So wie wir dort an der Basis ansetzen, ist es beim „Lernort Dreisamstadion“ ähnlich. Bei Jugendlichen der Klassen 7 bis 10 werden auch persönlichkeitsbildende Strukturen gelegt. Gerade in einem politischen Klima, in dem Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und einfache Lösungen zunehmend Konjunktur haben, ist es wichtig, die Jugendlichen zu erreichen und ihnen Werte für ein faires und tolerantes Miteinander zu vermitteln.
In der Satzung steht auch, der Sport-Club Freiburg fördere und vertrete die Idee, „dass Fußball gesamtgesellschaftlich als verbindende Kraft wirken kann“.
RAUBER: Dafür sorgen seit über zwei Jahrzehnten auch der Förderverein Freiburger Fußballschule und die Achim-Stocker-Stiftung. Sie unterstützen die Nachwuchsarbeit des SC Freiburg, aber auch die gesamten Breitensport-Förderprogramme, die inzwischen unter dem Dach der Abteilung Nachhaltigkeit gebündelt sind. Unsere Kernkompetenz ist Sport, ist Fußball, und in erster Linie die Organisation von Bundesligafußball. Aber wir versuchen, diese Kernkompetenz zu nutzen und in die Breite zu tragen. Und das möchten wir auch mit dem Kompetenzzentrum Kindersport und dem „Lernort Stadion“ erreichen. Gleichzeitig wollen wir die Begeisterung für den SC Freiburg und den Standort Dreisamstadion nutzen, um auch Themen voranzutreiben, bei denen wir unserem gesellschaftlichen Auftrag entsprechen.
Dafür nutzen Sie das Dreisamstadion bereits seit dem Umzug der SC-Profis ins Europa-Park Stadion.
RAUBER: Vereinzelt, ja. Zum Beispiel auch beim Stadtteilturnier, welches tollen Anklang gefunden hat. Aber sehr viele unserer Veranstaltungen finden dezentral statt. Deshalb freuen wir uns, dass wir für den Bereich der Breitensportförderung dank der Umbaumaßnahmen künftig einen Ort haben werden, an dem wir gemeinsam die Qualität des Breitensports und damit bestenfalls perspektivisch auch die des Spitzensports verbessern können – und an dem wir eine Heimat gefunden haben.
F R A N K E : Es entsteht hier ja auch eine lebendige Schnittstelle zwischen Spitzen- und Breitensport. Es kommen vielleicht Kinder zu einer Veranstaltung auf das Gelände und danach können sie beispielsweise ein Bundesligaspiel unserer Frauen erleben. Das ist für mich eine schöne und spannende Perspektive für die nahe Zukunft.
Interview: Dirk Rohde und Alexander Roth
Foto: Jasmyn Groeschke