"Sinnvoll, unsere Kräfte zu bündeln"

Engagement
01.12.2022

Tobias Rauber und Ludwig Voss sprechen über das Programm „Bundesliga bewegt“, die klubübergreifende Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Sportangeboten für Kinder und Jugendliche sowie den neuen Partner Alba Berlin.

Herr Voss, Herr Rauber, während der SC Freiburg und Werder Bremen nach einjähriger Pause erstmals wieder in der Bundesliga aufeinandertreffen, sehen Sie sich schon länger regelmäßig. Zusammen mit der DFL Stiftung gehören Werder und der Sport-Club zu den Gründern des im Februar gestarteten Programms „Bundesliga bewegt“. Welche Ziele verfolgt es?

LUDWIG VOSS: Ausgangspunkt war die Frage: Wie können wir Kinder und Jugendliche in den Sport reinbringen, und welche Veränderungen braucht es dafür im Sportsystem? Außerdem: Wie kann man für das Thema eine deutlich größere Aufmerksamkeit erzielen? Die Profiklubs in Deutschland sind einfach ein sehr guter Multiplikator, um einerseits auf das Thema Sport aufmerksam zu machen und andererseits auch einen Impuls zu setzen, wie die Sportlandschaft der Zukunft eigentlich aussehen kann.

TOBIAS RAUBER: Es gibt ja schon länger viele Tendenzen, die ein solches gesellschaftliches Engagement notwendig machen. Zum Beispiel erfüllen nur 16 Prozent aller Kinder in Deutschland die von der WHO geforderte tägliche Bewegungszeit von 60 Minuten. In den vergangen zehn Jahren wurde in Südbaden jede fünfte Juniorenmannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet. Bei den Juniorinnen war es jede zweite.

Genug Gründe, etwas in Bewegung zu bringen, gerade auch als Profiklub.

VOSS: Tatsächlich ist so auch die Idee mit „Bundesliga bewegt“ entstanden, weil die Bundesliga, was den Sport angeht, in Deutschland am stärksten im Rampenlicht steht. Und über diese Strahlkraft, die die Bundesliga hat, und die die einzelnen Klubs auch im Rahmen ihrer Sportexpertise haben, wollen wir einen Anstoß dafür setzen, dass es eine gemeinsame, bundesweite Idee gibt, wie der Sport der Zukunft aussieht und wie wir es schaffen, Kinder und Jugendliche dort langfristig zu binden.

Wie sieht denn die Gegenwart aus?

VOSS: Da gibt es vielfältige Probleme und Herausforderungen. Es gibt Vereine, die keine Infrastruktur haben, in deren Umfeld es aber trotzdem genug Kinder gibt, die Sport machen wollen. Da müsste man das Schulthema beispielsweise anders denken, sogenannte Schulvereine gründen, wo Kinder als Mitglieder beitreten können. Auch auf öffentlichen Spielflächen kann man Angebote schaffen, um Kinder an den Sport zu binden. Es gibt verschiedene Ebenen, um anzusetzen: Es gibt die Kitas, es gibt die Schule, es gibt die öffentliche Spielfläche und es gibt auch die Vereine.

Sind das bisher nur theoretische Überlegungen, oder haben Sie auch schon Ideen praktisch umgesetzt?

RAUBER: Sowohl als auch. Der SC Freiburg hat 2001 mit dem Bau der Freiburger Fußballschule angefangen, Spitzensport zu fördern und ist damit das Thema erstmals strukturell richtig angegangen. Davon profitieren wir noch heute. Wir haben uns jetzt gesagt, es gibt wirklich sehr viele Herausforderungen, die gerade bei Kindern und Jugendliche und im Sport allgemein offensichtlich sind: Bewegungsmangel, Entwicklung oder Nicht-Entwicklung von Vereinen. Dadurch ergab sich die Frage: Was können wir – 20 Jahre später – als Profiklubs dafür tun, dass nicht nur der Spitzensport, sondern auch der Breitensport gefördert wird? Und wie schaffen wir es, dafür wirkliche strukturelle Veränderungen anzuschieben.

Zumal sich bald auch die Schulstrukturen verändern.

VOSS: Richtig. Ab 2026 besteht für Grundschulkinder ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Der Lebensalltag der Kinder wird sich dadurch noch mehr in die Schulen verschieben, da sie bis vier, fünf Uhr oder noch länger in der Schule sind. Diese Zeit, die wir früher oft beim Training im Verein verbracht haben, gibt es dann eigentlich nicht mehr. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie wir dieses System verändern und gemeinsam neue Konzepte entwerfen können, die genug Zeit für Sport beinhalten. Auch die Vereine müssen sich überlegen: Kommen die Kinder weiter zu mir oder müssen wir jetzt Schulangebote schaffen? Das ist der theoretische Part, aber wir haben auch viele praktische Programme, die wir durchführen.

Welche Angebote und Konzepte sind das konkret?

VOSS: In Bremen bündeln wir die Aktivitäten im Bereich Bewegungsförderung im „Spielraum“-Konzept. „Spielraum“ steht dabei für einen bewegten Sozialraum. Um Kinder zu erreichen, braucht es räumliche Nähe. Gemeinsam mit Netzwerkpartnern arbeiten wir daran, Kindern und Jugendlichen mit und ohne Handicap oder Migrationshintergrund Zugänge zum Sport zu ermöglichen. Sport fand dort bisher getrennt voneinander statt. Für uns ist Sport aber vielmehr ein Netzwerk-Thema, bei dem Kita, Schule, Verein und gegebenenfalls auch ein sozialer Träger sozialraumorientiert zusammenarbeiten. Das probieren wir in Bremen aus, in dem wir diese Parteien an einen Tisch bringen und beispielweise AG-Angebote in Kitas und Schulen aufbauen, die vom Verein vor Ort mit unterstützt werden.

Herr Rauber, in Freiburg wurde dieser Ansatz in Form sogenannter „Sport-Quartiere“ umgesetzt. Was ist der Unterschied zu einem Bremer „Spielraum“?

RAUBER: Da gibt es nicht viele Unterschiede. Der Kern sind auch bei uns die Themen Vernetzen, Qualifizieren, Bewegen. Die Stärke von „Bundesliga bewegt“ ist, dass wir uns regelmäßig austauschen und versuchen, die angesprochenen Probleme, die es genauso in Freiburg wie in Bremen gibt, gemeinsam anzugehen und voneinander zu profitieren. Um mit dem prinzipiell gleichen Konzept an verschiedenen Orten die Sportstrukturen zu verändern.

Wie viele Sport-Quartiere gibt es bisher in Freiburg?

RAUBER: Wir haben jetzt sechs Sport-Quartiere aufgebaut, jeweils in unterschiedlichen Stadtteilen, zum Beispiel Zähringen-Brühl, Haslach-Weingarten oder Mooswald. Es sollen aber noch mehr werden, denn es gibt auf jeden Fall weiteren Bedarf.

Und die schon bestehenden Quartiere sollen weiter zusammenwachsen.

RAUBER: Ja. Kürzlich hatten wir in Freiburg-Mooswald unser Sport-Quartiers-Treffen. Da saßen Vertreter/innen von zwei Grundschulen, des Vereins, des Jugendzentrums und der Quartiersmanager zusammen und haben darüber nachgedacht, wie man gemeinsam Sportangebote machen kann. Mit dem Ergebnis, dass wir vermutlich diese Saison im Mooswald ein gemeinsames Turnier organisieren. Was zeigt, dass nun ein Austausch stattfindet, den es vorher nicht gab und dabei auch konkrete Themen umgesetzt werden.

Inhaltlich verfolgen Ihre Angebote einen sportartübergreifenden Ansatz?

VOSS: Sportartübergreifend ist sicher das Stichwort, wenn man mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Gerade im Grundlagenbereich, so ab fünf Jahren, geht es erstmal darum, Sportarten kennenzulernen und den Sport als motivierendes, cooles Element des Alltags zu erleben. Deshalb gilt es nicht, fußballspezifisch anzusetzen, sondern die Vielfalt, die der Sport besitzt darzulegen und seine Kraft auch bei der Vermittlung sozialer Werte bzw. der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen.

Das bundesweite Programm „Bundesliga bewegt“ wird nach einer Pilotphase jetzt fortgeführt. Wie viele Klubs sind derzeit dabei?

RAUBER: Am Schluss waren es 25 Vereine, sowohl aus der Bundesliga, der 2. Bundesliga und auch aus der 3. Liga. Wir haben uns in Bremen getroffen, in Freiburg, zuletzt in Hoffenheim, und man hat gemerkt, dass allein dieser Austausch schon wertvoll ist. Weil Leute zusammenkommen, die sich an ihrem Standort mit diesen Themen beschäftigen und sie dort umzusetzen versuchen.

Herr Voss, Werder Bremen ist bereits seit 2019 Teil der Initiative „Sport vernetzt“ des Basketball-Bundesligisten Alba Berlin. Künftig wollen „Bundesliga bewegt“ und „Sport vernetzt“ gemeinsam Strukturen für nachhaltige Bewegungsprogramme stärken und so noch mehr Kinder bundesweit in Bewegung bringen.

VOSS: Es ist auf jeden Fall absolut sinnvoll unsere Kräfte zu bündeln und dabei auch sportartübergreifend zu agieren, um eine deutlich größere Strahlkraft für unsere Anliegen zu erreichen. „Sport vernetzt“ bietet die Möglichkeit, im Rahmen einer deutschlandweiten Bewegung mehr Sportbildung in die Städte zu bringen und sich im Verbund und Austausch mit vielen Partnern aus Sport, Bildung und Politik gemeinsam für niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten von Kindern in den Sport einzusetzen.

Das Netz zur Bewegungsförderung wird also enger und breiter zugleich?

RAUBER: Je mehr Vereine, Menschen, Initiativen und Institutionen für diese Ziele zusammenarbeiten und sich vernetzen, umso besser. Erste Schritte sind geschafft. Aber es braucht einen langen Atem, wenn man Dinge verändern will.

 

Interview: Dirk Rohde und Uli Fuchs

 

 
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