Doppelt gemoppelt wird besser

Engagement
20.01.2022

Wieso? Weshalb? Darum – die Heimspiel-Serie (3) zum Kinderfußball heute mit:  Arne Güllich, der zur Entwicklung von Talenten forscht.

Heimspiel: „Boah, der hat Talent, das wird mal ein Großer“ – diesen Satz hört man häufig von Eltern und Trainern am Spielfeldrand vor Turnieren …

Arne Güllich: … und wenn es danach ginge, hätten wir jedes Jahr Hunderte Jahrhunderttalente, Hunderte Messis, die mal das Zeug zum Weltfußballer haben.

Heimspiel: Haben sie aber nicht?

Arne Güllich: Nur ein kleiner Prozentsatz aller Fußballer schafft es, einmal Profi zu werden, ein noch geringerer Bundesliga- oder gar Weltklasseniveau zu erreichen. Selbst von den Jungs, die in Nachwuchsleistungszentren ausgebildet werden, erreicht nur etwa jeder Tausendste die Bundesliga. Zudem muss man wissen: Im Kindes- und Jugendalter bestimmen andere Faktoren die Leistungsunterschiede zwischen Spielern als im Erwachsenenbereich.

Heimspiel: Was bedeutet das konkret?

Arne Güllich: In jungem Alter sind Körperbau, Kraft und Schnelligkeit leistungsdifferenzierend. Manche sind einfach von Natur aus früher entwickelt als andere. Im Profibereich sind aber alle ausgewachsen, alle sind schnell, kräftig und ausdauernd, da machen andere Faktoren den Unterschied: bei Messi oder einst Iniesta etwa die Fähigkeit, den Ball außerordentlich zu kontrollieren und das Spiel perfekt zu lesen. Wichtig zu wissen: Die meisten erwachsenen Spitzenspieler waren früher keine Wunderkinder. Umgekehrt werden die wenigsten, die in jungen Jahren herausstechen, im Erwachsenenalter Topspieler.

Heimspiel: Gibt es dafür Erklärungen?

Arne Güllich: Viele junge Spielerinnen und Spieler werden eher fälschlicherweise für Talente gehalten, während wahre Talente zunächst oft verkannt werden. Positiv gedreht heißt das auch: Wir können Talente ganz behutsam und geduldig aufbauen, um so langfristig Erfolge zu erzielen.

Heimspiel: Und wie geht das?

Arne Güllich: In unseren Untersuchungen mit Weltklassespielern haben wir herausgefunden, dass die meisten als Kinder lange parallel mehrere Sportarten ausgeübt haben, im Durchschnitt über acht Jahre. Das hat diverse Vorteile: Sie haben ein geringeres Risiko, wegen Überbelastung körperlich früh zu verschleißen, weil sie ihren Körper vielseitig beanspruchen. Dadurch haben diese Spieler breitere Erfahrungen im Erlernen verschiedenster Techniken mit verschiedenen Lernmethoden. So entwickeln sie später im Fußball eine bessere Auffassungsgabe. Außerdem wählen Jugendliche – im Schnitt mit 14 Jahren – anhand ihrer eigenen Erfahrungen aus ihren Sportarten die eine Hauptsportart aus, bei der sie bleiben möchten.

Heimspiel: In Ihren Studien liest man auch, Topspieler hätten im Kindesalter viel außerhalb des Vereins gekickt.

Arne Güllich: Stimmt. Die besten erwachsenen Spieler hatten im Kindes- und Jugendalter nur moderates Fußballtraining. Mit zehn Jahren im Schnitt etwa zweimal und mit 14 Jahren dreimal pro Woche, oft in ihrem kleinen Heimatverein. So konnten sie eben noch andere Sportarten betreiben, und Hausaufgaben, Freunde, und die Familie kamen nicht zu kurz. Müssen Kinder zu früh zu viel Zeit in den Fußball stecken, etwa, weil Eltern oder Trainer das so wünschen, ist die Gefahr höher, dass sie motivational ermüden, sich permanent im Zeitstress zu fühlen und den Verzicht auf vieles andere als belastend erleben. Außerdem entwickeln sie später mehr chronische Verletzungen. Wir tun also gut daran, wenn wir die Kinder nicht verheizen, sie behutsam führen und alle mitnehmen, auch diejenigen, die körperlich erst einmal noch hintendran sind.

Heimspiel: Der SC Freiburg fördert mit dem Südbadischen Fußballverband ein neues Kinderfußballkonzept: Kinder sollen im Training vor allem intrinsisch lernen, durch Selber-Ausprobieren vorankommen – mehr zu Straßenfußballern werden.

Arne Güllich: Die Freiburger Fußballschule ist für mich ein überzeugendes Beispiel, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis verwirklicht werden: tatsächliche Priorität auf Schule, Rekrutierung der Spieler aus der Umgebung, Kooperationen mit Vereinen der Region. Auch die jüngsten Schritte mit dem neuen Kinderfußballkonzept decken sich mit den Ergebnissen der aktuellen Forschung.            

 

Prof. Dr. Arne Güllich ist Professor für Sportwissenschaften an der TU Kaiserslautern. Seine Forschungsschwerpunkte: Talententwicklung, Spitzensport, Kinder- und Jugendsport.

 
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