"Eine unvergessliche Saison"

Profis
26.01.2024

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim SV Werder Bremen kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Thomas Schaaf. 

Herr Schaaf, am Ende der Saison 2003/04 feierte Werder Bremen sowohl die Deutsche Meisterschaft, als auch den DFB-Pokalsieg. Gibt es anlässlich des bis heute einzigen Double-Gewinns der Vereinsgeschichte eine Feier zum 20-jährigen Jubiläum?

Thomas Schaaf: Derzeit wird ja in den Medien häufiger über jene Saison berichtet, beispielsweise auf dem Bremer Online-Portal Deichstube oder in einem Sportschau-Podcast der ARD, wo Beteiligte von damals über das „Werder-Märchen“ sprechen. Es wird zum Double keine extra Feier organisiert. Was es aber im Frühjahr geben wird, ist eine Feier zum 125-jährigen Bestehen des Vereins, zu der die damalige Mannschaft eingeladen wird und auf die der Verein bereits seit Monaten mit verschiedenen Events hinweist. Es wurde sogar mein Pulli von 2004 neu aufgelegt ...

… der heute noch ähnlich bekannt ist wie die damals orangenen Trikotärmel und grün-orange geringelten Stutzen. Weniger farbenfroh war damals der Saisonstart: Im UI-Cup, einer Art Qualifikation für den UEFA-Cup, blamierte sich der SV Werder  beim österreichischen FC Superfund Pasching.  War das 0:4 vor Saisonbeginn so etwas wie ein Weckruf für das Team?

Schaaf: Tja, im Nachhinein kann man das vielleicht so sagen. Erst mal hat es jedenfalls furchtbar geschmerzt. Im Anschluss haben wir schon gesagt, dass wir jetzt zusehen müssen, Gas zu geben, dass wir in der Pflicht sind, ordentliche Leistungen auf den Platz zu bringen. Und das hat dann am ersten Bundesligaspieltag auch hervorragend geklappt: Bei Hertha BSC gewannen wir 3:0.

Am vierten Spieltag stand Werder Bremen erstmals an der Tabellenspitze, es folgte die Herbstmeisterschaft. Einer, der herausstach und in der Hinrunde schon 16 Tore erzielt hatte, war Ailton.

Schaaf: Wir hatten ein großartiges Team beisammen, das sich über die Jahre gefunden hatte. Ich könnte alle aufzählen, aber mal ein paar Beispiele: im Tor Andreas Reinke, in der Abwehr Valérien Ismaël und Mladen Krstajic, Ümit Davala, Johan Micoud und Tim Borowski im Mittelfeld, Ivan Klasnic und Ailton im Sturm. Wir hatten in der Saison kaum Verletzte, und falls einer ausfiel, stand der nächste gute Spieler bereit.

Noch mal zu Ailton: Er war drei Tage verspätet zum Sommertrainingslager erschienen, aufgrund von „Passproblemen“.

Schaaf: Wir kannten das von anderen Südamerikanern, bei denen wir auch nie genau wussten, wann sie zurückkommen. Sie brauchten eben die Zeit für die Familie, das war okay. Aber irgendwann hat es mich schon genervt, nie eine Antwort auf die ständigen Fragen zu haben: Wann kommt er denn? Wo ist er bloß? Als er dann zurück war, sagte ich ihm: Jetzt hast du mich geärgert, jetzt ärgere ich dich. Auf Norderney, wo wir unser Trainingslager hatten, gibt es ganz tolle Sanddünen für Läufe und Sprints.

Und Ailton war zum Saisonstart so fit wie nie!

Schaaf: Toni war fit, und vor allem hat er in der Saison extrem begriffen, was er der Mannschaft geben kann – und im Gegenzug bekommen kann. Alle Mannschaftsteile haben großartig funktioniert.

Zu Beginn der Rückrunde schwächelte Verfolger Bayern München, Werder Bremen hatte bisweilen elf Punkte Vorsprung. Als ein wichtiges Schlüsselspiel für den späteren Titelgewinn gilt das 1:0 bei Eintracht Frankfurt am 28. Spieltag.

Schaaf: Wir hatten an den beiden Spieltagen zuvor nur Unentschieden gespielt, unter anderem daheim 1:1 gegen den SC Freiburg. Der FC Bayern rückte auf sieben Punkte heran – und fing schon mit seinen Psychospielchen an.

Bayern-Keeper Oliver Kahn sagte: „Die Bremer werden nervös.“

Schaaf: Waren wir aber keinesfalls, weil wir, selbst wenn wir nur Remis spielten, stets wussten, dass die Leistung stimmte. Und so war es auch in Frankfurt, wo es lange 0:0 stand, wir aber eindeutig die bessere Mannschaft waren. Kurz vor dem Ende verwandelte Valérian Ismaël dann einen Elfmeter.

Nach dem 1:0-Sieg dachte Tim Borowski, wie er später erzählte: „Jetzt werden wir Meister.“

Schaaf: Das Selbstvertrauen im Team war groß, keine Frage.

Das ist es traditionell auch bei den Münchnern, bei denen es am 32. Spieltag zum Spitzenspiel kam. Als erster Verfolger mit sechs Punkten Rückstand sagte der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß: „Wir werden die Bremer wegfegen. Ein 1:0 wird nicht reichen, wir müssen 4:0 oder 5:0 gewinnen.“ Und dann kam alles anders …

Schaaf: ... zur Pause stand es im ausverkauften Olympiastadion bereits 3:0 für uns. Und was für tolle Tore! Da kriege ich sogar Gänsehaut, wenn ich daran denke: an das Tor von Ivan Klasnic nach einem Fehler von Oli Kahn, an den Lupfer von Johan Micoud, an den Schlenzer von Ailton. Wir bezwangen den amtierenden Meister in dessen eigenem Stadion mit 3:1 – und holten den Titel. Und später noch den DFB-Pokal, durch ein 3:2 im Finale gegen Aachen. Die Krönung einer unvergesslichen Saison.    

 

Thomas Schaaf (62), geboren in Mannheim, aufgewachsen in Bremen, war für den SV Werder in 281 Spielen am Ball und saß zwischen 1999 und 2013 in weiteren 644 Partien als Trainer auf der Bank – auch in der Saison 2003/04 als der Club Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger wurde.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

 
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